Doch wie erlebten die Russen selbst das Ende des Kommunismus? Nach der Auflösung der UdSSR und deren Umwandlung in GUS wurde Boris Jelzin zum ersten Präsidenten Russlands. Während man ihn im Westen vor allem als „demokratischen Erneuerer“ mit starkem Alkoholproblem in Erinnerung hat, gilt er heute in Russland als einer der unpopulärsten Politiker.

Die Periode nach dem Fall des Eisernen Vorhanges erlebten die Russen als großes Trauma: Von heute auf morgen war die Staatsideologie des Kommunismus als Irrweg gebrandmarkt. Die Niederlage im Systemkonflikt mit dem westlichen Liberalismus ließ Millionen Russen orientierungslos werden. Auch demographisch hatte der Fall des Kommunismus die selben Folgen wie ein verlorener Krieg: Die Geburtenraten brachen Anfang der 90er Jahre dramatisch ein.

Dabei begann alles anderes: Im August 1991 spielte er noch eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des Putsches kommunistischer Falken gegen Gorbatschow, als er auf einem Panzer die Putschisten zur Räson rief. Doch nur zwei Jahre später, im Oktober 1993, ließ der erste Präsident Russlands den Kreml von Panzern beschießen um eine Verfassungsreform durchzusetzen, die verfassungswidrig war: Ein Unterfangen, dass das seit jeher zentralistisch regierte Russland ins Chaos stürzen sollte und 100 Tote zur Folge hatte.

Der Westen schwieg damals zu den Vorfällen in Russland bzw. versuchte sie als notwendige Maßnahme gegen eine kommunistischen Aufstand umzudeuten. Denn schließlich war Jelzin ein Günstling der USA und des Westens.

Auch wirtschaftlich bedeuteten die radikalen Reformen Jelzins nichts Gutes für Russland: Quasi über Nacht wurde der ehemals sozialistische Staat in eine liberale Marktwirtschaft umgewandelt. Dies führte dazu, dass sich ehemalige KP-Funktionäre bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen bedienten und so zur die Wirtschaft und Politik dominierenden Oligarchen wurden.

Am meisten litt das einfache Volk unter den Reformen: Das Bruttoinlandsprodukt halbierte sich sich innerhalb weniger Jahre und die Hyperinflation sorgte für das Verarmen breiter Bevölkerungskreise. Unter Jelzin mussten die Russen zwar nicht mehr um Versorgungsengpässe kämpfen, wie im Kommunismus, dafür aber um das nackte Überleben.

Die innere Krise Russlands führte schließlich zu separatistischen Tendenzen in den muslimischen Teilrepubliken, die schließlich 1994 zur Entsendung russischer Truppen nach Tschetschenien führte. Seine Strategie im Kampf gegen die Dschihadisten legte Jelzin folgendermaßen dar: "Wir haben Scharfschützen. Und jeder von denen hat sein Ziel - paff, paff." Zwei Jahre und etliche muslimische Terroranschläge in Russland später musste Jelzin seine Niederlage eingestehen. Tschetschenien wurde zum Rückzugsgebiet für muslimische Gotteskrieger.

Angelangt auf dem vorläufigen Tiefpunkt seiner Popularität, musste Jelzin schließlich auf die Unterstützung amerikanischer Spindoktoren rund um Bill Clinton zurückgreifen. Mehr als 500 Millionen Dollar werden in Jelzins Wahlkampf investiert, 100 Millionen gingen an die amerikanischen Wahlkampfberater. Dank massiver Einflussnahme auf die Medien und einer Hetzkampgane gegen den kommunistischen Kandidaten Gennadi Sjuganow, konnte sich Jelzin durchsetzen.

Doch auch seine zweite Amtszeit war von den selben Problemen, wie die erste dominiert. Den traurigen Höhepunkt bildete schließlich die Zahlungsunfähigkeit Russlands 1998. Innerhalb weniger Jahre hatte Boris Jelzin das einst mächtige Land heruntergewirtschaftet und im Chaos versinken lassen.

Das Chaos hatte auch geopolitisch weitreichende Konsequenzen für Russland: Die massive Ausbreitung der NATO nach Osteuropa und die amerikanische Einkreisungspolitik sind Folge eines unter Jelzin paralysierten Russlands gewesen.

Als es 1999 zu einer Serie von Bombenanschlägen auf ein Moskauer Einkaufszentrum und mehrere Wohnblöcke kommt, beginnt ein neuer Mann die russische Politik zu dominieren. Sein Name ist Wladimir Putin. Der im selben Jahr zum Ministerpräsidenten ernannte ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes lässt russische Truppen abermals in Tschetschenien einmarschieren, um dort für Recht und Ordnung zu Sorgen, nachdem arabische Dschihadisten in die Nachbarrepublik Dagestan eingefallen waren.

Am 31.12.1999 legte Jelzin schließlich überraschend sein Amt nieder. Sein Nachfolger Wladimir Putin garantierte ihm für die Handlungen während seiner Amtszeit Straffreiheit, nachdem die Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten immer lauter wurden. Bei seinem letzten Auftritt entschuldigte sich der Präsident bei den Russen für die von ihm begangenen Fehler.

In Russland steht Jelzins Name bis heute für Chaos, Misswirtschaft und nationale Erniedrigung.

Doch wie ging Wladimir Putin mit dem verfahrenen Erbe Jelzins um? Im dritten Teil dieser Reihe werden der Aufstieg und die erste Amtszeit Putins behandelt werden.