Und dann dürfen wir vielleicht gleich mit dem Gespräch beginnen. Exzellenz, zunächst einmal herzlichen Dank, dass wir hier sein dürfen, ausgerechnet an diesem Tag, dem 500. Jahrestag des Beginns der Reformation. Ich möchte diese Fragerunde daher gleich mit der Frage eröffnen, „Was ist aus der Reformation geworden oder was ist von ihr geblieben?“

Da müssen Sie natürlich die Evangelischen selber fragen was aus Ihnen geworden ist, es ist eigentlich nichts geworden, es kommt mir vor, sie sind immer noch Protestierende, spätpubertär, sag ich da, Langzeitpubertät 500 Jahre lang, immer nur protestieren und immer nur die gleichen Argumente bringen, die gar keine Argumente sind, weil wir ihnen seit 500 Jahren zu sagen versuchen: „Das tun wir nicht, wir beten Maria nicht an, wir verehren sie so wie der Erzengel Gabriel, höflich, verehrend zu ihr gekommen ist. Und wir beschwören auch keine Toten, genauso wenig wie die Apostel am Berge Tabor, als sie mit Elija und mit Mose geredet haben.“ Das ist einfach nicht wahr, wir sind keine Spiritisten.

Aber es gab doch berechtigte Anliegen zu seiner Zeit…?

Die Evangelischen verehren ihren Luther wie einen Heiligen, und wenn man liest, wie sich der Luther benommen hat und was er gesagt hat, weiß ich nicht, ob das bei uns durchginge für einen Heiligen.

Aber gab es irgendwelche Anliegen, die gerechtfertigt waren, gleich ob von Luther oder von einigen Reformatoren der Zeit?

Sicher gab es Anliegen, bei allen Christen war der Wurm a bisserl drin, wie auch heute, wo man sagt: „es gibt solche und solche“, und dann kam es zur Spaltung, und Martin Luther, es gibt jedenfalls auch Texte von ihm in seinem späteren Leben, dass er eigentlich keine Spaltung wollte. Er wollte keine neue Kirche, er wollte etwas verändern, und ja, in manchen Punkten hat er wahrscheinlich recht gehabt.

Gleich daran anschließend: wo sehen Sie jetzt die Ökumene oder den Dialog, wie es heute heißt?

Zum Dialog mit den Evangelischen möchte ich nur sagen, wir müssen uns hüten vor diesem „Kaffee und Kuchen-Dialog“. Das bringt überhaupt nichts, wir haben uns lieb, und wir schlagen uns nicht mehr die Schädel ein, ja wie schön, wie wunderbar… Der Dreißigjährige Krieg ist vorbei, das tun wir nicht mehr, wir sind nicht mehr gewalttätig, aber, was mir bei Evangelischen immer wieder auffällt - Sehnsucht nach Einheit haben sie überhaupt nicht. Ich höre nie, dass sie die Einheit wollen, die Einheit liebhaben. Wir sind eine eigene Kirche, das sagen sie, und da sag ich, mit Ratzinger: Sie sind keine Kirche, weil die Kirche, die Jesus gegründet hat, ruht auf den Aposteln, steht ja auch in der Heiligen Schrift, von der sie sagen, dass sie sie so verehren. Aber Jesus hat nicht Kirchen gegründet, sondern er hat seine, Einzahl, Kirche gegründet und sie auf den Felsen gebaut.

Das heißt Sie sind sehr skeptisch bezüglich des ökumenischen Dialogs mit den Protestanten?

Sehr skeptisch, und ich möchte endlich einmal hören, wo ist denn eigentlich das friedliche Zusammenkommen gelungen? Wo denn? Da gab es dann die Rechtfertigungserklärung in Augsburg, aber die war ja auch nicht ganz gelungen. Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubens-Kongregation hat diese Erklärung später nachgebessert. Also ein so großer Fortschritt war es nicht und den spürt man auch nicht und man liest ihn auch nie in den Evangelischen Erklärungen.

Ich habe jetzt beim Autofahren den so genannten Bischof Bedford-Strom gehört. Er redet überhaupt nicht von der Einheit, sie ist gar kein Thema für ihn. Wenn er sagen würde: „Wir sehnen uns nach der Einheit mit den katholischen Christen, mit der katholischen Kirche, wir, als evangelische Gemeinschaft“ - das möchte ich hören, da hätte ich das Gefühl, es ist etwas in Bewegung gekommen. Ich habe auch neulich einmal evangelischen Christen eine Schriftstelle empfohlen und zwar jene im Römer-Brief, in der Paulus fast weint, dass er nicht eins ist mit seinen Brüdern, den Juden … Sehnsucht nach einer Einheit, er kämpft darum und er ist verzweifelt. Und diese Art von Sehnsucht, die fehlt mir, natürlich auch bei vielen katholischen Texten, das gebe ich schon zu. Und ja, wir sollen nicht in die Krisen vernarrt sein, Gott macht tatsächlich alles neu.

Und die Führung der Katholischen Kirche, spürt man da als Kleriker diesen Wunsch nach einer Einheit?

Auch zu wenig, Stichwort mit „Kaffee und Kuchen“, auf das ich allergisch bin, „wir treffen uns auf einen Kaffee und Kuchen.“ Entschuldigung, das kann ich mit einem Hindu machen, mit einem Buddhisten, mit jedem kann ich Kaffee trinken gehen. Das mache ich gern.

Und führen Sie diesen „Kaffee und Kuchen-Dialog“ auch auf überzogene Interpretationen der einschlägigen Texte des Zweiten Vatikanum zurück wie beispielsweise das Konzilsdokument „Nostra aetate“?

Schauen Sie, wenn ich jemanden gewinnen will, werde ich natürlich am Anfang das Positive betonen; was er da gut macht, und was er dort gut macht, und wo wir zusammenarbeiten können. Dafür bin ich auf jeden Fall, nicht, dass Sie mich falsch verstehen und darum werde ich auch den Evangelischen zuerst und auch noch vor den Buddhisten sagen, dass wir uns eigentlich näher sind, als man geglaubt hat, oder manche glauben. Das ist ja wahr, aber wenn ich dann denke wie sie ihren Luther verehren, was Luther über die Eucharistie sagt, über den Papst sagt, die Juden oder über die Bauern, die Aufständischen, die sich zu Recht gewehrt haben, dann sage ich nur:  „Na, Freunde, davon distanzieren sie sich heute schon“.

Aber bräuchte es dann eventuell theologisch einen neuen theologischen Ansatz, also weder Kontrovers-Theologie, die zunächst einmal die Unterschiede auch bis ins Exzessive betont, noch ein Auflösen der Unterschiede?

Die Unterschiede muss man auch benennen dürfen. Ein Dialog, wo man das dauernd verschweigen muss, ist kein Dialog, der uns weiterbringt.

Ein weiteres Thema im Bereich der Ökumene ist das Verhältnis zur Orthodoxie. Es gibt ja jetzt auch in politisch–konservativen Kreisen die Hoffnung, dass durch die Orthodoxe Kirche, allen voran, aber nicht ausschließlich in Russland, eine Art von politischer Re-Christianisierung möglich wäre. Wie sehen die Bemühungen hier, die noch um 500 Jahre längere Spaltung eines Tages zu überwinden?

Ich muss gestehen, da weiß ich einfach zu wenig, die Orthodoxie steht uns ja von der Lehre her viel näher, und darum ist es nicht zu verstehen, warum wir da noch nicht weiter sind, in puncto Einheit. Das kann man sich nur wünschen, ich habe immer eine besondere Liebe zu den Ostländern gehabt aber da ich schon so lange in Salzburg bin, ist es schon so lange her und ich hab leider keine wirklichen Kontakte mehr…

Eine Frage, ich weiß nicht, ob das eher zur Einwanderungspolitik oder zu Ökumene gehört… Wir haben verschiedene Rubriken auf meiner Nachrichten-Seite und was mich dazu bewegt hat, Glaube und Religion wieder zu aktivieren und dem Menschen nahe zu bringen, als Laie noch dazu, und ich wurde auch gewarnt, dass man so eine Seite nicht machen sollte. Aber ich hab mir gesagt: wir alle sind die Kirche und nicht nur jene, die Theologie studiert haben. Also der Grund für die Rubrik war, dass der Erzbischof von München, Kardinal Marx,  während eines Zusammentreffens mit einem muslimischen Glaubensführer sein Pektorale unter dem Hemd versteckt hatte. Ist es nur für mich als Laien ein unfassbarer Vorgang und ein Kniefall vor den Andersgläubigen oder würden Sie auch sagen „das macht man nicht“?

Ich würde sagen „das macht man nicht“, aber ich würde es nicht tragisch nehmen.

Dann bin ich zu überempfindlich gewesen?

Ja, in den Medien haben sie es auch aufgeputscht, es war ein bisschen ungeschickt von ihm, ich kann mir aber vorstellen, wie man in so was hineinrutscht. Du gehst hin, und Leute sind da, und irgendjemand aus der Entourage sagt: „Eminenz, man sollte nicht so demonstrativ das Kreuz hinhängen – fürs gutes Gesprächsklima, tun Sie es ein bisschen auf die Seite“ Na gut, wenn ihr meint, macht man dann das auch und so läuft so was, glaube ich.

Also für Sie war das keine schlaflose Nacht?

Soll nichts Ärgeres passieren. Ich habe schon von Bischöfen anderes erlebt, Schlimmeres.