All jenen, die mehr vom Partisanen der Schönheit lesen wollen, sei sein Buch "Durch Habsburg Lande" wärmstens ans Herz gelegt, welches Sie beim Karolinger Verlag unter diesem Link käuflich erwerben können.

 

 

 

 

12.06.2024

... Finale poeticò ...  

11.06.2024

46. Tag; Arzúa - Santiago; 38.1 km

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Auszug der Pilgermassen - hier in Arzúra kommen alle Wege zusammen, Primitivo,Frances, La Plata aus Sevilla und Oriente aus Valencia - nur ein Weg aus dem Norden und der Portugiesische nähern sich Santiago aus anderer Richtung. Entsprechend gehen wir nun gleichsam in einer Prozession und gelegentlich kommt es gar zu einem Stau. Das nimmt nicht Wunder, kommen doch im Schnitt täglich 1600 Pilger in Santiago an und die meisten müssen hier durch. Kein Vergnügen also die ersten Stunden, nach Mittag aber wird es nach und nach ruhiger. Für gewöhnlich gehen die Pilger nur kurze Etappen und jede der zahlreichen Gaststätten am Weg saugt viele von ihnen auf. So haben wir den Weg ab 14:00 weitgehend für uns alleine.

Vor Pedrouzo, wo die allermeisten hängen bleiben teilt ein Italiener Informationsblätter für die Pilgermesse am Abend aus. Er gehört einer höchst verdienstvollen italienischen Laieninitiative an, die versucht aus den tausenden Wanderern doch einige echte Pilger zu machen.

Die gibt es schon und wie der amerikanische Pastor sind da viele, die hier auf diesem Weg erst den rechten Weg suchen. Die Konzilskirche in ihrer Beliebigkeit hilft ihnen dabei nicht wirklich, aber der Geist weht wo er will.

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Mir fällt ein Pilger auf, der in der einen Hand ein Buch und in der anderen ein merkwürdiges in ein besticktes Tuch eingewickeltes längliches Objekt trägt. Bei näherem Hinsehen erkenne ich darauf den Davidstern und hebräische Schriftzeiche.

All dies weckt meine Neugier und ich spreche ihn an. Tatsächlich trägt er in der einen Hand eine Bibel und in der anderen ein Schofar Horn. Seit dem Alten Testament kennen die Juden dieses Ritualinstument, das, aus Widder- oder Kuduhorn gefertigt, in vier Grundtönen Gott den Herren verherrlicht. Bereitwillig zeigt mir der eigenartige Pilger sein Schofar Horn und bläst für mich den “Teki’a” , den langen Grundton für “ Der König kommt!”
“I am from Jewish origin but I follow my Lord Jeshua!” bekennt er stolz. Ein bekehrter Jude pilgert zum bekehrten Juden Santiago - so ist es recht! Ich erinnere mich der heroischen Judenmission des Heiligen Alphonse Ratisbonne, auch er ein bekehrter Jude und besonders um die Verkündigung Christi im Heiligen Land bemüht. Wie viele Seelen gehen ob der Ignoranz der Konzilskirche verloren, die meint Juden nicht mehr bekehren zu müssen? DAS ist wahrer Antisemitismus!

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Der Einzug über den Monte de Gozo, den Berg der Freude, weil man von hier aus Santiago zum ersten Mal sieht, hinunter zum Cruz de San Pedro, wo der Pilger erstmals die Kathedrale sieht und in die Knie sinkt, ist mir bekannt. Ankunftsbild und Ankunftsbier, dann schnell den Rucksack abgelegt und endlich hinein in die Kathedrale. Der Glanz des Goldes blendet und der Pilger lacht. Erst steigt er hinab in die Krypta, um die Reliquien zu verehren, dann hinauf zur Figur des Heiligen den man jetzt wieder umarmen darf - im Coronairrsinn war auch das verboten. Ich lege meine Muschel auf seine Muschel und halte ihn wie einen Freund - Pilgerglück, das nur der versteht, der es erlebt.

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In einer Mischung von Freude und Wehmut endet hier meine heurige Großwallfahrt. Sollten meine geneigten Leser noch nicht genug von mir haben, darf ich auf die Zeitschrift Eckart www.dereckart.at verweisen, wo allmonatlich ein Beitrag von mir erscheint sowie auf mein Buch “ Durch Habsburgs Lande”, das man beim Karolinger Verlag bestellen kann.

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….und so Gott will, trifft er mich nächstes Jahr wieder am Weg, wenn es wie im Mariazeller Pilgerlied heißen wird: “Die Zeit für Kreuz, für Stab und Hut bricht an!”

14:48 |  Der Agronom
Lieber Partisan, ich möchte ihnen für ihre Ankunft in Santiago sehr herzlich gratulieren. Auch möchte ich mich bei ihnen, für ihre tägliche Nachricht an Bachheimer.com bedanken. Ich habe jeden Tag bereits auf ihren Blogbeitrag schon gewartet, habe mich an ihren Schilderungen von Land und Leuten erfreut und war sehr oft überwältigt von ihren gesendeten Bildern. Zum einen von der Landschaft, aber vor allem von der sakralen Baukunst auf ihrem Weg. Für das "Alles" von ihnen, ein herzliches Vergelt's Gott.  Ich wünsche ihnen noch eine schöne Zeit in Santiago und einen guten Nachhauseweg.
Mit freundlichen Grüßen aus Bayern
Agronom

P.s.Ich freue mich schon sehr auf die Nachbesprechung ihres Pilgerweg's mit TB.

10.06.2024

45. Tag; Ferreira - Melide - Arzúa; 34,3 km

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Santiago ist nahe und damit auch die Pilgerscharen. Es gilt: Je kleiner der Rucksack, desto größer der Hintern. Die morgendlichen Wochenendpilger sind langsam, und wir haben sie bald abgehängt. Am heutigen Weg passieren wir besonders schöne Horréos, die nordspanischen Kornspeicher, die sich hier in Galizien deutlich von jenen in Asturien unterscheiden und so emblematisch für die Gegend sind, daß sie auch als kitschige Souvenirs en miniature wohl manchen Haushalt ästhetisch belasten. Groß und echt sind sie recht hübsch, geradeso wie die Landschaft mit ihren bemoosten Hohlwegen, römischen Brücken und urtümlichen Furten.

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Eine allerletzte Höhe von rund 720 Metern gilt es zu nehmen, dann sieht man schon in der Ferne Melide, wo der Camino Primitivo auf den Camino Frances trifft oder besser, wo letzterer in den Primitivo mündet, denn der ist eben der älteste Weg.

Ab Melide bin ich die Strecke nach Santiago schon zweimal gegangen und nun unglaublich neugierig, was ich wohl erinnere; jene Bar mit der köstlichen Torta de Santiago gewiß; die Kostprobe ist hier zwar sicherlich ein Vorgriff, aber ob des ewigen Auf und Abs und der Nähe des Gnadenortes doch ein legitimer Imbiß.

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Wir erreichen Azúra gerade rechtzeitig zur Pilgermesse. Da zeigt die Konzilskirche was sie kann: Eine Nonne zupft rhythmisch beschwingt die Gitarre und begleitet so infantile Volksgesänge, der Priester wirkt als Entertainer am Altar, sucht den Dialog mit dem Publikum und grundsätzlich werden viele Hände geschüttelt.
Den kunsthistorisch wertlose Hochaltar, wo die Mensa so grausam abrasiert wurde, daß der Tabernakel nun in der Luft hängt, schmücken immerhin gleich drei Darstellungen des Heiligen Jakob und die religiös motivierten Pilger erfassen wohl kaum , was der Heilige am Weißen Roß tatsächlich bedeutet - den Matamoros nämlich, den Maurentöter. Wüßte der Geliebte Hl. Vater davon, er ließe diese obszönen Relikte der Ecclesia Triumphans gewiß abmontieren. Eine Pachamama - eine indianische Kirchendekoration wärend der Amazonas-Synode in Rom bis sie der Tiber mitnahm - böte im Gegensatz dazu ein friedvolles Wohlfühlmoment und alle hätten einander lieb!

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Arzúa ist besonders auf seinen Käse und den Pulpo Gallego stolz. Letzteren, ein am Grill angekohlter Octopus auf Erdäpfeln und mit Paprika bestreut, vermeiden wir, dem Queso de Azúra ist nicht zu entkommen. Er ist nicht wirklich schlecht, ein langweiliger Butterkäse wie jener Geheimratskäse im roten Wachsmantel meiner Kindheit, der bei uns ebenso aus den Regalen verschwunden ist wie Pitralon, "das Rasierenwasser für richtige Männer” - ach, letztere gehören ebenso wie Geheimräte zu einer aussterbenden Spezies!

09.06.2024

Tag 44 |  Lugo - Taboeiro - Ferreira; 26,8km

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Auszug zunächst an der Stadtmauer, dann durch die bizarr wuchernde Neustadt hinab zum Flusse Miño. Er bildet in seinem Unterlauf die Nordgrenze zu Portugal. Dies ist die älteste Grenzlinie in Europa, geht auf den Vertrag von Zamora aus dem Jahr 1141 zurück und ist damit ein Zeugnis von Beständigkeit, wenn kluge Diplomatie einen Interessenausgleich schafft.

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Bald hinter der Brücke die alte Kirche San Lazaro, die den Pilger zum Gebet lädt und ihn dafür mit einem “Sello”, dem Stempel für seinen Pilgerpaß belohnt. Zwei davon sollte man jedenfalls pro Tag haben und das Pilgerbureau in Santiago prüft das ganz genau. Erst dann erhält man dort den feierlichen Finalstempel und die Pilgerurkunde.

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An der Kirchenfassade eine Skulptur des Pilgerheiligen St. Rochus. Dies und ein Storchennest sind dann auch die optischen Höhepunkte des heutigen Tages.

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Wir wandern hügelauf, in hügelab durch grüne Landschaft, die mich an England erinnert; glückliche Kühe auf der Weide und massive Steinhäuser den ganzen Tag.

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Morgens noch Zirimiri, dann große Gnade für die Pilger, denn in ganz Galizien gießt es in Strömen, nur wir bleiben verschont. In der Wirtschaft zu Mittag gibt es keinen Platz mehr, doch die freundliche Patronin setzt uns in die Küche zu Oma und Opa. Es gibt Wildschwein mit Kohl - sehr authentisch.

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Jetzt haben wir noch gerademal 10km bis Ferreira, ein Ort der bloß aus zwei Herbergen, einer Taverne und einem Hotel besteht. Gottlob kommen wir in dem Hotel unter.

Zum Abendessen treffen wir den Methodisten Pastor mit seiner Tochter wieder, ein überaus liebenswürdiger Mensch von echter Frömmigkeit und eben solcher Naivität. Er hofft auf die Wiederwahl Bidens, ist für die Südstaaten im Bürgerkrieg, gegen Sklaverei und züchtet Hühner und Ziegen. Vom Herzog von Alba, Philipp II und dem Escorial hat er noch nie gehört, hört aber interessiert zu. Er ist gegen die Todesstrafe aber für den Krieg, gegen die Abtreibung aber auch gegen deren Verbot. Er interessiert sich für katholische Sakramententheologie in gleicher Weise wie ich mich für die Knüpftechnik orientalischer Teppiche.

Ich komme mir vor wie ein Grieche im Athen des ersten Jahrhunderts, der einem Touristen aus Rom seine Welt zeigt.

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Das Imperium zeigt freundlich ignorantes Interesse.

08.06.2024

43. Tag; Lugo; Ruhetag; 10,6 km Stadtspaziergang

Die ganze Stadt steht im Zeichen des Allerheiligsten, jedenfalls was ihr Wappen anlangt. Wie könnte sie sonst auch gegen Santiago bestehen, das sie schon den Rang der Hauptstadt gekostet hat. Ein Apostelgrab ist nur durch den Herren selbst zu überbieten!

 

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matamoros und sacramentum

 

Die Kraft des Sakramentes läßt sich in der Kathedrale fühlen und in der Kapelle der ‘Jungfrau mit den großen Augen’ kann der Pilger nur mit dem Rosenkranz dieser Schönheit antworten. Das Diözesanmuseum zeigt die älteste frühchristliche Marmortafel Galiziens und sonst noch dies und das.

Lugos historische Einzigartigkeit in Spanien ist freilich seine rund 2 km lange unzerstörte römische Stadtmauer aus dem 3.Jh.. Die Gründer der antiken Stadt, Imperator Augustus und sein Freund der Senator Publius Fabius Maximus, sind auf der Plaza Mayor im Standbild verewigt in vielleicht doch allzu faschistischer Ästhetik, und ich bin betroffen, wütend und echt traurig.

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Die Stadtmauer schneidet durch ein antikes Haus, das einst ein Mitraeum beherbergte ,das in einem kleinem Museum dem Besucher sehr anschaulich vorgestellt wird. Der Mitraskult war besonders in der Spätantike eine echter Konkurrent zum aufkommenden Christentum. Nichts ist von ihm geblieben, bis auf ein einziges Phänomen , das die Kirche in Spanien nie niederringen konnte: der Stierkampf. Alle Versuche ihn zu verbieten scheiterten, doch eine einzige Sanktion bleibt bis heute: einem katholischen Priester ist es bei Strafe der Excommunication verboten, einem Stierkampf beizuwohnen.

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Rom und die Mauer

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Das Provinzmuseum läßt mich die Goldschätze der Antike sehen, deren Goldschürfplätze habe ich im Gebirg passiert. Ein Torques von 1,8 kg ist schon bedeutend - nun , “am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles”, seit allem Anfang der menschlichen Zivilisation gewiß die sicherste Anlage. 

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Ansonsten stellt mir das Museum einen Antonio Fernández Gomez vor, galizischer Maler der ersten Hälfte des 20. Jh. von starker farblicher Tiefe und am Kunstmarkt deutlich unterbewertet, wie ich im Zwischennetz eruiere. Das Museum verlöre seine Existensberechtigung, wollte es nicht auch mit zeitgenössischer Kunst aufwarten. Mich spricht dabei am meisten die Installation “fear the fire” an, schon alleine wegen ihres praktischen Mehrwerts. 

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Antonio Fernández Gomez

 

 

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Moderne Kunst

 

07.06.2024

42. Tag; Castroverde - Lugo; Halbetappe; 22 km

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Castroverde ist häßlich wie alles, was in Spanien in den letzten fünfzig bis achtzig Jahren gebaut wurde; davon ist auch die Franco-Zeit nicht auszunehmen. Zwar gab es Ansätze zu einem Franco-Barock - der Wiederaufbau des völlig zerstörten Alcazars von Toledo und des dem Erdboden gleich gemachten Klosters von Montserrat bei Barcelona geben Zeugnis davon, und in Madrid steht ein berühmtes Hochhaus mit Herrera-Decor - doch es blieb bei einzelnen Versuchen. Bald setzte sich ein ökonomischer Pragmatismus der Nachkriegszeit durch, der Spanien zeitweilig das größte Wirtschaftswachstum Europas bescherte, aber die gesamte Küste verschandelte. An all das muß ich denken, wenn ich verrottete Bauruinen und verrottende Neubauten beim Auszug aus Castroverde sehe.

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Der Pilgerweg freilich führt nun über die Dörfer mit ihren massiven Granithäusern - so solide, daß ihnen der Ungeist der Moderne kaum etwas anhaben konnte, bis auf die unvermeidlichen Kunststoffenster. Bemooste Hohlwege und duftende Eukalyptuswälder - das ist das Galizien, das ich kenne. Der Weg ist leicht und ohne große Steigungen, der Einzug in Lugo mühsam und ohne jeden Reiz. Bedrohlich türmen sich überdimensionierte Wohnsilos auf, da gelangt man durch eine Autounterführung plötzlich vor die römische Stadtmauer des 3. Jh., die mit zahlreichen Türmen das historische Zentrum umschließt. Kurz davor habe ich Kilometerstein 100 passiert.

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Das historische Lugo ist die Schwester Santiagos und viele Plätze und Straßenzüge gleichen der Stadt des Apostels aufs Haar.

Um freilich spirituell hinter diese nicht allzu weit zurückzufallen, zeichnet die Kathedrale ein besonderes päpstliches Privileg aus: am Hochaltar ist auf ewig das Allerheiligste ausgesetzt. Jeden Donnerstag, also auch heute, gibt es nach der Abendmesse eine Prozession mit dem Allerheiligsten unter dem Baldachin, und eine örtliche Bruderschaft folgt mit Fackeln und Umhang mit darauf gesticktem Bild des Allerheiligsten  dem Sakrament.

Der Priester klärt mich auf, daß in Lugo immer Hl. Jahr ist, da der Gläubige unter den gewöhnlichen Bedingungen einen vollkommenen Ablaß für die Verehrung des Leibes Christi erhält. Auf die Synode von Lugo anno 550 soll das Privileg zurückgehen, bei welcher Gelegenheit der Suebenkönig Theodomir mit seinen Mannen die arianische Ketzerei aufgab und sich der allein selig machenden Gnade der Hl. Katholischen Kirche  unterwarf.

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Hoch schlägt das Herz des Pilgers, der den Umgang unerwartet erleben darf. Die tiefe Frömmigkeit der Teilnehmer ist echt und jeden Donnerstag gedenken sie so des schweren Ganges unseres Herren von Getshemane in die Gefangenschaft.

Er ist nicht auszurotten, der katholische Glaube in Spanien!

06.06.2024

41:  Tag; Fonsagrada - Cadavo - Vilabade - Castroverde; 36,8 km

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Gleich zu Anfang des Tages gehe ich meinen 1000. Kilometer und da kommt auch schon der Kilometerstein “150 km auf Santiago”. Es geht in’s Finale ! Man meint heute führe der Weg nur bergab, doch 3 Päße und noch ein paar niedrigere Übergänge sind zu überwinden - so kommen bis zum Etappenziel auch 800 Höhenmeter hinauf zusammen.

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Wir gehen teils Straße, teils einen Weg, denn letzterer nimmt oft unnötige zusätzliche Höhenmeter. Ich sehe die traditionellen galizischen Rundhäuser, die ich vor allem aus O Cebreiro kenne, alle noch in rohen Schieferplatten gedeckt, die hier auch geschlagen werden.

Vom Gasthaus, das meine Landkarte in Paradevella anzeigt, ist nichts mehr zu finden. So picknicken wir im Schatten eines Hauses. Die für dort angezeigte Quelle erweist sich als ein Wasserhahn in Kniehöhe an der Hausmauer.

In Càdavo findet sich wieder Infrastruktur und daher saugt der Ort auch den Pilgerstrom auf. Alle scheinen hier Quartier zu machen, in einem häßlichen Ort mit ebensolchem Namen. Ich siniere darüber, wie es einem wohl ergeht, der hier geboren wird und sonst nichts anderes kennt. Saufen wäre wohl eine Lösung, doch auch diese Überlebensstrategie scheint hier nicht besonders ausgeprägt. Was die Pilger, die hier gegen 16 Uhr eintreffen dann machen, verstehe ich ebensowenig wie den Grund warum die meisten, die an gar nichts glauben, überhaupt zum Apostelgrab ziehen.Wenn ich wandern möchte, habe ich es in den österreichischen Alpen schöner!

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Wir ziehen jedenfalls weiter und finden den vielleicht lieblichsten Weg der gesamten Wallfahrt. Der führt über Vilabade, wo niemand Geringerer als ein Vizekönig von México/Neuspanien für die Pilger eine riesige Kirche stiftete. Sie finden wir natürlich geschlossen, doch die gewaltige Vorhalle verbindet uns mit Generationen von Pilgern, die hier nächtigten, "weil für sie kein Platz in einer Herberge war". Man findet diese gedeckten Vorhallen überall am Weg und im Baskenland habe ja auch ich in einer solchen übernachtet. Diese hier ist freilich die eindrucksvollste von allen.

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Um 19 Uhr erreichen wir Castroverde, das auch nicht gerade durch Schönheit besticht. Das einzig wohl brauchbare Lokal ist geschlossen. In einer Bar versuche ich nach Maßgabe der Möglichkeiten die trostlose Speisenauswahl zum Besseren zu modifizieren. Càdavo hat das gastromische Monopol, da dort auf Grund der Willkür der Pilgerführer alle bleiben. Keinen einzigen Pilger treffen wir hingegen hier.

Sehr freundlich ist die Kellnerin in der Kaschemme, wo wir zu Abend essen, und sie spart auch nicht mit Koseworten und Komplimenten, doch - hélas! - schwer tätowiert trägt sie einen Nasenring und hat einen Hintern wie ein Brauereipferd. Letzteres ist in dieser Landschaft endemisch.

05.06.2024

40. Tag; Castro - Puerto del Acebo - Fonsagrada; 23,1 km

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Nach gestrigem Umtrunk tat langer Schlaf Not. Das paßt ganz gut, denn für meinen Freund Univ.Doz. Heimo Dolenz muß ich das Museum Chao Samartín besuchen, und das öffnet erst um 11 Uhr seine Pforten. Mein Freund hat am Magdalensberg in Kärnten die bislang einzige nachgewiesene Goldschmelze des Römischen Imperiums gefunden und hier im äußersten Zipfel Asturiens gibt es die Ruinen einer Goldgräberstadt zu sehen. Das gutgemachte Museum aus den 2000er-Jahren bietet einen großartigen Blick auf die Ausgrabungen und zeigt interessante Stücke. Die Dame von der Aufsicht hat einen einsamen Posten, denn kaum je verirrt sich ein Besucher hierher.

 

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Die Visite ist auch schnell erledigt und mit der bequemen Streckenführung der Straße sind wir in kaum zwei Stunden auf der Paßhöhe Puerto del Acebo. Jetzt führt der Weg eine Zeit lang recht gerade auf 1.000 m Seehöhe und irgendwann kommt dann die Grenze zu Galicia. Diese wird nicht mit einem schönen Wappenstein angezeigt wie am Camino Frances, sondern nur von einem Straßenschild markiert. Dann folgt eine Kommemorationstafel für ein galicisches Kommunistenbattailion aus dem Bürgerkrieg - linke Propaganda, wie man sie heutzutage überall in Spanien antrifft.

 

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Etwas unterhalb, wo Straße und Weg einander kreuzen, nehmen wir in einer Bar Erfrischungen ein, ich meinen wohl letzten Sidra auf dieser Reise. Ein freundlicher US-amerikanischer Pastor, der mit seiner Tochter pilgert, zeigt sich erstaunt und beeindruckt, da ich ihn vom Schweißtuch in Oviedo erzähle. Nur etwas mehr als 150 km bis Santiago liegen noch vor ihm - wollen wir hoffen, daß ihn bis dahin die Gnade der Konversion erreicht. Freilich ist der Vulgärprotestantismus der Konzilskirche nicht dazu angetan, einen gebildeten Protestanten zu bekehren. Da hat es ihm die Orthodoxie schon mehr angetan. Wir werden einander bis Santiago wohl wiedersehen und ich will für ihn beten.

 

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Nun führt der Weg langsam bergab, ehe er kurz vor Fonsagrada steil in den Ort ansteigt.

 

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Um 20 Uhr besuchen wir die Pilgermesse und nehmen anschließend eine schmackhafte Mahlzeit ein.

 

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Sonst bietet Fonsagrada - der Name rührt von einem heiligen Brunnen gleich neben der Kirche - rein gar nichts. Früh zu Bett, denn morgen erwarten uns die letzte gröbere Bergetappe, mit gut 35 km. 

Zwei Italiener, die wir schon vom Weg kennen, zischen nur von alldem enerviert: Cazzo - che scivo! Derb vielleicht, aber trefflich!

04.06.2024

39.Tag; Berducedo - Navia-Stausee - Grandas de Salmine - Castro

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Gut haben die meinen für mich gebetet - die Schwellung ist zurückgegangen und ich paße in den Bergschuh, nichts gebrochen, nur gegeprellt - es kann weitergehen.

Der Liebe Gott hat mir da eine gute Predigt gehalten: Gerade im triumphalistischen Hochgefühl der Bergüberschreitung kann alles vorbei sein. Sei Dir Deiner nie zu sicher! Schon einmal, vor der Überschreitung des Großen St. Bernhard auf der Via Frangigena, mußte ich wegen einer Sehnenscheidenentzündung aufgeben. DEO VOLENTE werde ich Santiago erreichen - und das hängt eben nicht nur von meiner Muskulatur ab.

Ich danke und marschiere. An Steige ist freilich nicht zu denken - ich bleibe auf der Straße. Dort ruhig 700 Höhenmeter hinab zum großen Stausee der Navia.

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Der Caudillo mußte erkennen, daß die Militärs, mit denen er die Cruzada gewann, wohl ihr Handwerk verstanden, aber von der Wirtschaft keine Ahnung hatten. So wechselte er sie gegen Fachminister aus dem Opus Dei aus, die wußten, was das Land braucht. Das Wasserkraftwerk am Navia ist ein Beispie dafür. 3.000 Arbeiter kamen hier zum Einsatz. Eine Siedlung wurde für sie errichtet, selbstverständlich mit einer Kirche. Weil nicht mehr gebraucht, liegt all das in Ruinen und von fern imaginiert man eine verfallene Bergfeste. Das Wasserkraftwerk tut bis heute seine Dienst, die leichte Straße, die Franco dafür bauen ließ, dankt diesem mein Fuß.

Grandas de Salmine hat ein Heimatmuseum, das montags natürlich geschlossen ist, aber mit der baskischen Svastika grüßt. Ich habe bis jetzt nicht herausgefunden, warum dieses Zeichen auch Galicia repräsentiert.

Ansonsten ein trostloser Ort. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert bot in alter Zeit weite vorgelagerte Schlafhallen für die Pilger und sonst das übliche. Die Konzilskirche hat die Mensen der Seitenaltäre in einer Weise abgesäbelt, daß dort gewiß nie mehr eine Römische Messe gefeiert werden kann. Das ist nicht
Papsttreue, sondern nur Bosheit - wie zumeist in Spaniens Kirche.

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In der "Bar Occidente" kehren wir ein - der Name hatte mich angesprochen. Zwei Betrunkene gröhlen. Saufen ist wahrscheinlich das Beste, das man hier tun kann. Ein Besoffener schickt sich an, seinen BMW zu besteigen. Mein Freund wundert sich. Ich weise ihn darauf hin, daß wir seit Oviedo keinen einzigen Polizisten gesehen haben. Ich denke der Staat ist dankbar, daß hier überhaupt noch Menschen siedeln und läßt sich nicht blicken ...

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Noch eine gute Stunde zum Etappenziel Castro, um die Albergue in Grandas zu vermeiden. Hier dann Zimmer mit Bad und familiäre Gastfreundschaft in Pilgerromantik.Quartier haben außer uns noch zwei spanische Pilger genommen, und der Wein fließt aus nimmer leerem Krug. Die Patrona kommt mit dem Hausschnaps, Orujo, mit Heidelbeeren versetzt, und so immerhin trinkbar. Wir reden über Sprachen, Dialekte und was eben Spaniens Wirklichkeit ausmacht. Manchmal verdrückt die Wirtin eine Träne - und bringt dann mehr Schnaps. Ausgeliefert einer geschichtslosen Moderne im Dienste der anderen Seite scheint Spanien heute zu sein - doch hier wird weitergetrunken! Trost, Erinnerung und Hoffnung warten am Grund des Glases.

Der Abend schließt mit "UNA GRANDE - LIBRE " und patriotischem Liedgut.

03.06.2024

Tag 38 | Campiello - Puerto del Palo - Berducedo; 29 km

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Wir gehen die "Hospitales", die Königsetappe des gesamten Pilgerweges; bei Schlechtwetter nicht gangbar, bei Schönwetter spart sie einen Tag und bietet atemberaubenden Fernblick. Gut 1.000 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Das Wetter ist gut, Sonne und Wolken, kein Nebel und keine Regengefahr. Es bläst ein scharfer Wind.

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Der Weg steigt bis auf rund 1.200 Meter und führt dann einige Zeit in etwa dieser Höhe auf und ab. Der Wind hat sich zu einem eisigen Sturm mit 70 km/h entwickelt - mein naturwissenschaftlich gelehrter Pilgerbruder DDr. Pilch hat für alles Meßgeräte bei sich. Das Wetter macht den Kammweg höchst unangenehm, ungeachtet des majestätischen Fernblicks. Es ist eisig kalt hier oben und wir haben alles angezogen, was der Rucksack hergibt.

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Wilde Pferde grasen auf der Höhe, plötzlich galoppiert ein Reiter vorbei, einen Stock irre schwingend und unverständlich schreiend. Er trägt Irokesenhaarschnitt, im Mundwinkel glimmt eine Zigarette. Wie ein apokalyptischer Reiter jagt er vorbei. "Un pocco locco" meint der einzige Pilger, der uns begegnet

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Ausreichend mit Wasser und Lebensmittel proviantiert, muß man die "Hospitales" antreten. Der Name rührt von den sieben Pilgerhospizen, wo man sich im Mittelalter der Pilger annahm.

  

Da der Weg aber abkam, verfielen sie zu Ruinen, in denen nun niemand mehr auch nur kurz Schutz vor dem Unbill des Wetters finden kann, da sie knöcheltief mit Dung gefüllt sind.

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Wir finden eine einigermaßen geschützte Mulde, wo wir ein wenig rasten und essen können. Der Wind pfeift über uns hinweg.

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Den Abstieg über den steilen Geröllsteig will ich mir nicht antun und meine Gelenke nicht überstrapazieren. Bei Puerto del Palo, wo der Weg die Straße berührt, entscheide ich mich für diese - zwar rund zwei Klilometer länger, aber weit angenehmer zu gehen.

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In Berducedo mangels Alternative Pilgerherberge im Stockbett im 20er-Schlafsaal. Sogleich wird man aufgefordert zu Abend zu essen, da die Küche um 20 Uhr schließt - dann, wenn sie sonst in Spanien vielleicht gerade aufmacht. Sättigung ohne Sperenzchen, schlicht doch reichlich.

Im Schlafsaal angekommen, knallt mir ärgerlicherweise ein Heizkörper auf den Fuß. Dieser schwillt mächtig an und schmerzt höllisch. Geb' Gott, daß sich das über die Nacht legt und ich überhaupt in den Bergschuh komme. Sonst ist hier Endstation.

02.06.2024

Tag 37 | La Espina - Tinéo - Campiello; 24,3 km

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Ich habe schon in schlechteren Herbergen übernachtet und auch in besseren, aber das Prinzip ist immer gleich: Aus unerforschlichen Gründen beginnen die Pilger um fünf Uhr zu rascheln - da ist in Spanien noch stockfinstere Nacht -, dann mit ihren lächerlichen Skistöcken zu klappern und um 7 Uhr spätestens begeben sie sich auf den Weg. Wozu? Keine Bar gibt um diese Zeit Frühstück, es ist finster, kalt und nebelig; um 16 Uhr kommen sie dann im unbedeutenden Etappenziel an, viel zu früh um zu speisen, dabei müde und abgespannt; sie ernähren sich notdürftig aus dem Proviant und schlafen um 20 Uhr - damit sie alsbald, also um 5 Uhr, wieder stören können.

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Nach den gestrigen 1.000 Höhenmetern ist die heutige Bergwertungen überschaubar: bloß 600 Höhenmeter, und insgesamt nicht einmal 25 Kilometer. Langsam verlassen wir die nördliche Oststeiermark und gelangen in die Obersteiermark (sehr löblich, TB) - was das Landschaftsbild anbelangt.

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In Timéo sind zwei Priester des vergangenen Jahrhunderts zu preisen, die die uralten Madonnen und andere Skulpturen aus den umliegenden Kapellen vor Diebstahl oder Verwahrlosung in ein kleines Museum im Seitenschiff ihrer Kirche retteten. Die Virgen de Bebares aus dem 12. Jh. wäre das Prunkstück in jedem Museum für mittelalterliche Kunst. In der Pfarrkirche selbst treffen wir auf die Patronin Asturiens, die Virgen von Covadonga und - zu unserer Überraschung - auf das Prager Jesulein! Der Kreis schließt sich, kommt doch die Prager Figur ursprünglich aus Spanien.

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Weiter auf dem alten Weg zur Klosterruine von Santa Maria la Real de Obona. Im 12. Jh. befand sich hier ein Zentrum der Gelehrsamkeit Asturiens. Unter den späten Habsburgern wurde das Kloster erweitert, der freimaurerischen Säkularisierung fiel es 1837 zum Opfer - geblieben sind Gebäuderuinen und eine fest versperrte Kirche, die noch intakt sein dürfte.

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Zerstörung brachte die Aufklärung der alten Welt, und setzte an die Stelle Gottes den Mammon.

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Zerstörung brachte die Aufklärung der alten Welt, und setzte an die Stelle Gottes den Mammon.

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Bald ist Campello erreicht, das eigentlich nur aus zwei Herbergen mit Restaurant und angeschlossenem Laden besteht. Die gesamte Siedlung verdankt ihre Existenz dem neuerdings wieder genutzten Camino Primitivo, vornehmlich von jenen Pilgern, denen der Camino Frances zu überlaufen ist.

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Wir speisen à la bonne heure und trinken noch fort mit Pilgerbruder Manfred aus Franken, einem wachen Geist, pensionierten Maschinenbauer, protestantischen Beutebayer, und mit 74 in Topform. Er sucht nach dem "Es", Gott, dem Sinn des Lebens, was auch immer - Zeit wird’s!

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Manfred rückt mir das Bild des Pilgers wieder zurecht. Als ich gestern in der Albergue eintraf, fand ich solipsistische Frauenspersonen vor, die stumpf in ihre Mobiltelefone tippten und die Menschen um sich herum gar nicht wahrnahmen. Ich fragte, woher sie denn alle kämen. Eine meinte "Ukraina". Ich fragte höflich, ob österreichische oder russische Ukraine. Ich fürchte das junge Fräulein ist mir jetzt noch bös.

01.06.2024

Tag 36 | Grado - Doriga - Corniana - Salas - La Espina ; 30 km

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Morgendlicher strammer Aufstieg bei tadellosem Wetter. Das Dorf Doriga ist von jeder moderner Häßlichkeit frei, ein Ansichtskartenmotiv! Die Kirche ist offen und der Hochaltar ein interessantes mixtum compositum -

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- neben kitschigen Gipsfiguren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat man in der Giebelzone die ursprüngliche Kreuzigungsgruppe untergebracht, wohl aus dem 14. Jh, da in der Provinz die Kunst stets stark hinterherhinkt.

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In Corniana gibt es ein entseeltes Klostergebäude anzusehen, das immerhin eben jetzt zu seiner 1.000 Jahre-Feier restauriert wird. Daneben bietet der Ort üppige Gastlichkeit und verfängt daher mit starker Gravitation.

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Nach Salas geht es wieder bergan, auf altem Weg, der mitunter zum Steig wird. Der kleine Ort hat eine Kirche, die auf das Jahr 1000 zurückgeht aber natürlich geschlossen ist, daneben eine intakte alte Befestigungsanlage.

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Nun sind noch 400 Höhenmeter zu bewältigen. Der Weg ist exzellent trassiert, mit vielen alten Brücken und gefaßten Quellen. Hier kann ich mir König Alfons II. gut vorstellen, wie er anno 814 hoch zu Roß als allererster Pilger Santiago zustrebt, vor 1210 Jahren!

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Ehe wir La Espina erreichen, kommen wir noch an der kleinen Wallfahrtskirche Nuestra Señora de los Remedios - Mariahilf - vorbei, die sich hier großer Beliebtheit erfreut und für den Pilgerpaß einen fetten Stempel bereithält.

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La Espina ist von reizloser Öde. Ein Wirtshaus gibt es und eine Albergue, wo wir zwei Betten im 10er- Schlafsaal reservieren konnten.

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Immer wieder erstaunt mich die Häßlichkeit der Nordspanierinen. Mit Fug und Recht kann ich behaupten, daß die schönsten Frauen, die ich seit dem Überschreiten der spanischen Grenze gesehen habe jene sind, die ....

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... auf den hier stark verbreiteten Werbeplakaten der italienischen Firma Calzedonia das Auge des gesunden Mannes erfreuen.

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31.05.2024

35. Tag; Oviedo - Paladin - Grado; 25 km

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Zirimiri - den ganzen Tag; das Wetter läßt sich in der Giftküche des Golfs von Biskaya kaum vorhersagen; Sonne war angezeigt, die Wirklichkeit ist anders.

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Die Juwelen des Morgens lassen mich das klimatische Leid vergessen. Per Taxi begeben wir uns etwa 20 Minuten abseits unserer Route zum einstigen Sommersitz König Ramiros I. oberhalb von Orviedo. Dieser König hatte den Mauren die jährlich Abgabe von 100 Jungfrauen verweigert und sich ihnen dafür in der Schlacht von Clavijo 844 gestellt. Der Heilige Jakob selbst führte die asturischen Truppen zum Sieg und begründete so seine neue Karriere als Santiago Matamoros im bewaffneten interreligiösen Dialog.

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Aula Regia und die Kirche San Miguel in Naranco aus der Zeit um 850 bezeugen die hoheitsvolle Eleganz westgotischer Königsarchitektur und suchen ihresgleichen im übrigen Europa. Im Reich fallen mir aus dieser Zeit nur die Pfalzkapelle in Aachen und die Torhalle in Lorsch ein.

Der Auszug aus Orviedo führt uns an San Juan Real vorbei. Ich interessiere mich nicht für Kirchen aus der zweiten Hälfte des 19. Jh., doch als Pilger kann man, wenn gar die Kirche offen ist, nicht vorbei, ohne das Allerheiligste zu grüßen. Ich werde reich beschenkt für den Besuch: zum ersten sah ich selten eine so schöne Kirche aus dieser Zeit, zum zweiten kann man hier die 9 Märtyrer von Turòn verehren - Priester, die den Mordbuben des Aufstandes von 1934 zum Opfer gefallen waren.

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Außerhalb des kleinen Zentrums um die Kathedrale ist Orviedo ein Graus und so freuen wir uns, bald über die Hügeln auf und ab pilgernd Land zu gewinnen.

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Gelegentlich der ersten Hinweistafel auf das heutige Etappenziel fällt mir erstmals eine zweisprachige Aufschrift in Spanisch und Asturisch auf. Unser Zielort Grado heißt hier "Grau", übrigens genau wie das venezianische Grado friulanisch "Grau" heißt. Der modische spanische Seperatismus kennt offenbar keine Grenzen. Katalanen und Basken sind notorische Rebellen, Leon will sich von Kastilien abspalten, die Bierzo-Ebene von Leon, Galicier sprechen Gajego und nun haben anscheinend auch die Asturier solche Anwandlungen.

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Wollte ich dieses Prinzip auf Österreich anwenden, könnte ich vielleicht noch eine gemeinsame Sprache für Wien, das Burgenland, Salzburg, Nieder- und Oberösterreich voraussetzen, müsste aber Steirisch, Kärntnerisch, Tirolerisch und Vorarlbergerisch als eigene Minderheitensprachen gelten lassen. Das Lavanttal wäre dann mit "Looofndol" anzuschreiben.

Grado oder Grau ist für eine ländliche Kleinstadt erstaunlich häßlich, dafür ethnologisch interessant - der erste Ort, in dem ich je Menschen sah, die heute noch Holzschuhe tragen.

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Sonst ist nicht viel los hier. Um 22 Uhr hat in dem 10. 000-Einwohner-Ort bloß eine einzige Bar offen, die aber keinen einzigen spanischen Brandy hat. Frustriert nehme ich einen Orujo, eine nordspanische, besonders widerliche Abart des Grappa, und frage mich, was die Menschen hier eigentlich so machen. Sie müssen sich zu Tode langweilen - und das kann gut und gerne mehr als 80 Jahre lang dauern!

30.05.2024

Tag 34 | Pola de Siera - Oviedo; 17 km

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Eine Halbtagsetappe: bei strahlendem Wetter und leichtem Weg durch grünes Bauernland erreichen wir die Hauptstadt Asturiens zu Mittag.

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In den Vororten sieht man noch ein paar der typischen alten Häuser und zahlreiche Siderias, Apfelweinschenken, die hier den Trinkgenuß bestimmen. Ich bevorzuge beim Eintreffen dennoch wie stets Bier als isotonisches Getränk.

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Oviedos Bedeutung für die Reconquista ist ebensowenig zu überschätzen wie für den Jakobsweg. Im Jahre 812 wurden in Santiago die Reliquien des Apostels Jakob aufgefunden, im selben Jahr verlegte König Alfons II. seine Hauptstadt nach Oviedo und trat von hier aus die allererste Wallfahrt nach Santiago an. Damit begründete er den Camino Primitivo.

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Wertvollste Reliquien wurden hier beschirmt und sind in der Cámera Sacra, einem Bau aus dem 9. Jh., zu verehren. Der kostbarste Schatz ist ohne Zweifel das Schweißtuch Christi, dessen Blutflecken mit jenem am Turiner Grabtuch übereinstimmen und wie dort die Blutgruppe AB aufweisen, die in Europa recht selten, im Nahen Osten aber die häufigste ist. Einst hieß es, wer nach Santiago geht und nicht Orviedo besucht , ehrt den Diener und vergißt auf den Herren.

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Dann ist da noch das "Siegeskreuz", Wappenbild Asturiens und im 12. Jahrhundert kostbar in Gold und Edelsteine gefaßt. Das einfache Holzkreuz im inneren führte Asturiens erster König Pelayo bei Covadonga 722 in die Schlacht.

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Weder Mauren noch napoleonische Truppen konnten diesen Schätzen etwas anhaben, doch die Rebellen des euphemistisch als "asturischer Bergarbeiterstreik" bezeichneten Aufstandes 1934 mußten in ihrer satanischen Wut die Reliquien schänden. Tatsächlich sah das Jahr 1934 das Präludium zum Bürgerkrieg. Von Stalin gesteuerte Kommunisten verwüsteten hochheilige Stätten in ganz Asturien. 33 Priester fanden den Märtyrertod, bis endlich General Franco, damals noch im Auftrag der Republik, dem Spuk ein Ende machte und wieder Ruhe in Orviedo einkehrte. Sie sollte nicht lange währen …

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Neben dem architektonisch komplizierten Komplex der Kathedrale - mit Kreuzgang, Reliquienkammer, Grablege der asturischen Könige und Diözesanmuseum -

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gibt es noch ein verwinkeltes Museum der schönen Künste zu sehen, wo neben Murillo, Ribera, Morales, Zurbaran, Goya, Miró und Picasso ein eintzückender Johann Platzer überrascht . Den Tiroler Meisters feinst gemalter Genreszenen, von denen Schloß Eggenberg so schöne besitzt, hätte ich hier nicht erwartet.

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Auf das Archäologische Museum verzichten wir und erfreuen uns statt dessen der Dienste der örtlichen Münzwäscherei.

Früh zu Bett, denn morgen giit es vor dem eigentlichen Aufbruch noch ein praeromanisches Präziosum per Taxi zu besuchen. Sonst ist die Stadt häßlich, und wir sparen uns den für hier geplanten Ruhetag - im Gebirg' werden wir ihn vielleicht noch brauchen!

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29.05.2024

Tag 33 | Villaviciosa - Tazones - Villaviciosa - Monasterio de Valedediòs - Pola de Siero; 28,7 km

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Bei strahlender Sonne trifft mein ältester Pilgerbruder und bester Freund DDr. Martin Pilch ein, der mir vor 22 Jahren das Pilgern erschlossen hat und mir seit damals alljährlich zu meinem Geburtstag die Ausarbeitung meiner jeweiligen Route schenkt. Gut, ihn dabei zu haben, um besonders die anspruchsvollen Bergetappen am Camino Primitivo nicht alleine absolvieren zu müssen!

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Ehe wir uns auf den heutigen Weg machen, lassen wir uns noch per Taxi 11 km weit an jene Anlegestelle Tazones bringen, wo der 17jährige Carlos I. erstmals spanischen Boden betrat. Der reizende kleine Fischereihafen hat sein Aussehen verglichen mit einer kolorierten Postkarte aus dem Jahre 1902 kaum verändert: Keine Appartementblocks und ähnliche Scheußlichkeiten - 1517 wird er auch nicht viel anders ausgesehen haben. Eine schwer lesbare verwitterte Gedenktafel erinnert an die Landung des Königs. Zuhause will ich in meiner Bibliothek herausfinden, warum der König just hier, an diesen so abgelegenen Gestaden landete.

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Zurück in Villaviciosa starten wir bei der romanischen Kirche Santa Maria de Olive, und hier kommt mir erstmals eine Ahnung, woher wohl der eigentümliche Name des Ortes stammen könnte: Auf einem Kapitel des Hauptportals sieht man, wie sich ein Wildschwein am Gemächt einer Person zu schaffen macht, die dies offenbar auch noch genießt.

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Karl V. beschloß sein Leben im Kloster. Alfons III. teilte dieses Schicksal, wenn auch nicht ganz freiwillig. Der große König der Anfangsphase der Reconquista wurde nach 44 Jahren Herrschaft von seinen Söhnen abgesetzt und zog sich für seine letzten Lebensmonate auf seinen Landsitz bei San Salvador de Valedediòs zurück, wo er anno 910 in die Ewigkeit einging. Die bösen Söhne holten dann seinen Leichnam in die Königsgruft nach Oviedo, wohl mehr zu ihrer Ehre, als zu der des toten Königs. Im 13. Jh. wurde an selber Selle ein Zisterzienserkloster gegründet - heute freilich ist alles hier kompetenter Museumsbetrieb; kein Allerheiligstes im Tabernakel, kein Mönch in der Zelle - groß muß der Ort einst gewesen sein, als Gott noch hier wohnte.

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Wir überqueren einen 400m hohen Paß und sehen oben auf der einen Seite zum wirklich letzten Mal das Meer, und drüben die schneebedeckten asturischen Berge, die uns von Santiago trennen. Eine Stunde unterhalb des Klosters haben wir den Camino del Norte verlassen und steigen nun am Camino Primitivo , dem ‘ursprünglichen Weg’ hinauf nach Santiago.

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Nun leichter Pfad nach Pola de Siera. Im Zwischennetz finde ich die nächsten Lokalempfehlungen für das Dîner erst in Oviedo, eine Information für Automobilisten. Ich fragte einen gut gekleideten Herren, der eben mit zwei Weinflaschen sein Haus verläßt, nach dem besten Wirtshaus der Ortschaft - und ja, es war köstlich dort zu speisen. Auf einen Gentleman ist eben immer Verlaß!

28.05.2024

32. Tag; Ribadesella - Colunga - Villaviciosa; 36 km

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Nach den Wohlfühletappen der letzten Tage erwartet mich heute eine anspruchsvollere Route. Zunächst vorbei an prächtigen Strandvillen führt mich der Weg zweieinhalb Stunden lang beständig auf und ab an der Küste entlang - bisher der malerischste Abschnitt meines Pilgerweges;

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vorbei an wildromantischeren Felsbuchten und einsamen Stränden - wer aber wollte in diesem Klima schon schwimmen gehen? Die Landschaft erinnert mich an Schottland, das Wetter auch. Doch ich darf nicht klagen, nach grauem Morgen läßt sich hinter der dünner werdender Wolkendecke die Sonne erahnen und manchmal bricht sie sogar durch.

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15° sind zum Marschieren gerade recht. Ich nehme Abschied vom Meer, denn ab Mittag wird es aus meinem Blick entschwinden. Ich bin aber ohnedies kein Atlantiker! Immerhin bietet mir der heutige Tag tatsächlich das einzige Strandlokal der ganzen Reise, wo ich einen leichten Salat einnehme - aus Erfahrung wird man klug!

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Jetzt aber hinauf auf die Hügel! Colunga hat gute Infrastruktur, doch habe ich schon gegessen. Die Kirche ist erstaunlicherweise offen, ich grüße das Allerheiligste und die Virgen von Covadonga.

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Ab nun viele Höhenmeter auf und ab, ein paar Weiler mit den schönen Kornspeichern, die ich in ähnlicher Art aus Galicia kenne. Keine Bar und kein Wasser bis zum Abend, irgendwann finde ich eine Quelle. Ein kunstbeflissener Bauer hat Velazquez' "Wasserverkäufer" aus der Sammlung des Herzogs von Wellington nicht einmal schlecht auf seine Scheunentür gepinselt.

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Villaviciosa will und will nicht auftauchen. Laut Landkarte bin ich kaum 3 km entfernt - und noch immer nichts. Dann folgt ein eineinhalb Kilometer langer häßlicher Einzug - und noch immer keine Altstadtsilhouette. Doch an den Straßentafeln grüßt mich bereits der Doppeladler in der reichen Ausführung des Wappens des Hl. Römischen Reiches, denn dieses - und zwar genau dieses - ist auch das Stadtwappen von Villaviciosa.

Der Name verstört. Wörtlich übersetzt bedeutet er "Villa" bzw. "Ort des Lasters". Und genau hier hat der erste König des vereinten Spaniens und der neben seinem Sohn bedeutendste Monarch dieses Reiches die ersten vier Tage in seinem neuen Herrschaftsbereich zugebracht.

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Sein Großvater Ferdinand von Aragon war im Jahr zuvor gestorben und hat den Enkel in seinem Testament zum Mitregenten seiner Tochter Juana la locca, Johanna der Wahnsinnigen, eingesetzt - denn diese war psychisch instabil und dämmerte in ihren Depressionen im Schloß von Tordesillas dahin. Die Stände anerkannten den Thronanspruch des neuen Monarchen, wünschten aber, daß er in persona die Erbhuldigung entgegen nehme.

Der 17jährige kam aus den Niederlanden und sprach kein Wort Spanisch. In Tarzones landete er und begab sich flußaufwärts in die erste spanische Stadt - Villaviciosa.

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Carlos I., in dessen Reich die Sonne nicht unterging, hob dieses unbedeutende Städchen aus dem Dunkel des Vergessens ins Licht der Geschichte, und hier hat die spirituelle Vermählung des späteren Kaisers Karl V. mit Spanien begonnen. Mehr Spanier als alle Spanier sollte der 17jährige einmal sein, der damals aber noch kein Wort der Landessprache verstand.

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41 Jahre später wird er sein Leben im spanischen Kloster San Jeronimo de Yuste beschließen.

27.05.2024

31. Tag; Llanes - Nueva Llanes - Ribasella; 29,6 km

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Schöne Wege, die immer wieder den Strand berühren. Oft treffe ich heute noch auf das Bild der Virgen de Covadonga, der Magna Mater Asturiae, der ich gestern meine Aufwartung machte.

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Die Ortschaft Nueva Llanes wirbt an ihrer Einfahrt mit der Bezeichnung ‘ schönstes Dorf Asturiens’ , die ich in nichts begründet finde; nicht schön, nicht häßlich ist sie wie alle Orte, die ich seit meinem Eintritt in diese Provinz gestern gesehen habe. Üppig freilich geht’s hier zu!

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Wieder stachelt mich mein ethnologisches Interesse an, hier eine viel gepriesene Landesspezialität zu probieren - völlig idiotisch zur Mittagsstunde - : Cachopo Cabrales. Das ist die bizarre Wucherung eines herkömmlichen Cordon Bleus. Zwei monumentale Rindsschnitzel packen Jamon Iberico und reichlich Käse ein und werden so recht fett herausgebacken, dazu gibt es eine dicke Blauschimmelsauce.

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Ich verzehre die Hälfte dieses kulinarischen Exzeßes und weiß Gott, der Pilger lacht nicht! Statt einem Bett erwarten ihn noch 12km! Dazu trinke ich wie schon überall seit gestern ‘Sidra’ , asturischer Apfelwein, nicht moussierend und nicht so süß wie in England und Frankreich und nicht so hantig wie bei uns, sehr süffig und mit 5 - 6 Volumprozent Alkohol allgemein beschwingend. Das Getränk wird in einer lustigen Vorrichtung serviert. Man muß eine Flasche nehmen, die kostet nichteinmal 4 €, und man lehrt mich, daß es vulgär sei, sich ein Glas vollzfüllen. Gerade mal ein Schluck schickt sich, und der ist ex auszutrinken. Wahrscheinlich habe ich die Mittagsvöllerei nur wegen der belebenden Wirkung dieses Nationalgetränks überlebt.

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Leichtes Nieseln am Nachmittag, Wolken und kalt. In Ribadesella nächtige ich auf dieser Pilgerreise das letztes mal am Meer. Meine Badehose werde ich auch hier nicht naß machen. In Schottland verspüre ich auch nie das Verlangen schwimmen zu gehen.

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1912 dürfte in Ribasella noch einiges los gewesen sein! Das Hotel Marina gibt davon Zeugnis, wurde aber in den letzten Jahren ausreichend verschandelt, damit es nun ins Ortsbild paßt und so auf zwei Sterne herabgesunken ist - das ist sehr sehr wenig in Spanien! Ansonsten bietet der Ort den gleichen Anblick wie alle diesen Nordspanischen Küstenstädte, Llanes einmal ausgenommen. Das ästhätisch Asprechendste hier sind wahrscheinlich die Steinzeitmalereien in der nahen Tito Bustillo Höhle, die in ihrer Formsicherheit und Finesse alles überragen, was ich in den Ausstellungen moderner Kunst in Bilbao und Santander gesehen habe.

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Die Liebe zu Ribadesella kann nur durch den Magen gehen. Das überreiche Angebot hervorragender Speiselokale macht die Wahl schwer. Ein glückliches Schicksal führt mich ins ‘Quince Nudos’ und das beste Mahl seit dem Verlassen Frankreichs erwartet mich. Flambierte Austern und Arroz mir Gansleber und Räucheraal werden in Erinnerung bleiben. Jetzt lacht der Pilger!

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Mit dem Chefkoch Bruno Lomban

26.05.2024

30. Tag; Pesuès - Llanes; 25 km; Automobilwallfahrt nach Covadonga

Sonnenschein und tadellose Moral; zügig gehe ich die heutige Tagesetappe an. Zunächst schöner alter Weg an aufgelassener Bahnstrecke, dann eine kleine Höhe, Blick aufs Meer. Ein Pilger in Schlapfen macht mich staunen - daß man so weiterkommt war mir neu, fragt sich nur wie lange!

 

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Ihr Bild ist mir bereits am Weg begegnet und sie hat mich beflügelt: die Virgen von Covadonga. Was sollte ich auch den ganzen Nachmittag in dem hübschen Fischerstädchen anfangen, das auch schon bessere Zeiten gesehen und einst sogar ein schickes Casino besessen hat?

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So organisiere ich mir ein Taxi und fahre die 44 km hinauf zum Fuß des Auseba-Berges, wo Pelayo 722 die berühmte Schlacht von Covadonga gewann, elf Jahre nachdem der letzte Westgotenkönig Roderich in der Schlacht von Guadalete gegen die Mauren sein Leben gelassen hatte.

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Über das Ausmaß der Schlacht und die Herkunft Pelayos ist man sich nicht ganz im Klaren. Er stammte gewiß aus höchstem westgotischen Adel und war wohl mit der dem Königshaus verwandt.

 

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Die Größe und Auswirkungen des Waffengangs beurteilen muslimische wie christlichen Quellen völlig unterschiedlich, aber fest steht, daß hier im äußersten Norden Hispaniens der Anfang gemacht wurde mit der Reconquista. 770 Jahre sollte sie dauern. Wenn man sich erinnert, daß die Christenheit Konstantinopel erst vor 571 Jahren an die Mohamedaner verloren hat, läßt sich der zähe Widerstandsgeist jener Helden ermessen, die sich einfach nicht in ein böses Schicksal fügen wollten. Wie später Franco eroberten sie ihr Land Stück für Stück zurück und führten mit der "Repoblacion" das Gegenstück zum "Großen Austausch" vor.

Am Anfang von alldem steht Pelayo, der erste König Asturiens, und ihm ist dieser Weiheort gewidmet. Die Basilika aus dem 19. Jh. bietet das Gewohnte, ein weitläufiges Museum aus großer Zeit nur Kleinigkeiten minderer Bedeutung.

 

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Betritt man freilich die Grotte, spürt man, was dieser Ort den Spaniern heute noch bedeutet. Beter trifft man hier, die andächtig Kerzen entzünden, wärend vom eigentlichen Heiligtum fromme Gesänge erschallen. Vor der "Virgen de Covadonga" wird der Rosenkranz gebetet. Alle Priester tragen Soutane. Nonnen im Habit knieen in Demut. Viele berühren in Verehrung den Steinsarkophag des Paleyo. Dieser hat alle Zeiten überdauert, wärend das meiste andere Rekonstruktion der Franco-Zeit ist. Die Kommunisten haben auch hier gewütet, wie im ca. 7 km entfernten Cangas de Onis, der ersten Hauptstadt Asturiens, wo sie in satanischem Furor die älteste Kirche Spaniens, die Pelayos Sohn Fifila 737 als seine Grablege errichten ließ, für immer vernichteten.

 

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Covadonga, das ist heute der trotzige letzte Rest des alten Spaniens. "Una - Grand - Libre" ist hier den Betern in die Herzen geschrieben.

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An Kunst gibt es da nichts zu sehen, doch die Gesichtern dieser Pilger zeigen mehr vom Abendland als alle unsere Kunstmuseen zusammen.

25.05.2024

Tag 29 | Studientag; Pesuès - durch das Deva Tal - Santa Maria de Lebeña - Santo Toribio de Liébana - Potes - Pesuès; 3,1 km

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Es kann nicht angehen, auf einem Pilgerweg eine Großreliquie auszulassen - und eine solche, nämlich die größte Kreuzreliquie der gesamten Christenheit, wird nicht weit von meinem Wege bewahrt; freilich zu weit um per pedes vorbeizumarschieren. Dies wäre ein eigener Pilgerweg, der Camino Lebaniego, für den drei bis fünf Tagen veranschlagt werden.
Vom gestern passierten Nansa-Tal gibt es keine direkte Verbindung und so beschließe ich heute mit einem Kraftwagen zu pilgern.

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Durch die atemberaubend enge Felsschlucht, die die Deva ins Cantabrische Gebirge geschnitten hat, geht es zunächst zur kleinen Westgotenkirche Santa Maria de Lebeña, versteckt und vergessen im Nirgendwo und daher unverfälsch und unzerstört. 925 errichtet, ist ihr Altarblock wesentlich älter, vielleicht sogar vorchristlich; seine Kreismotive finden sich auch auf den äußeren Kragsteinen. Westgotische Hufeisenbögen zeigen, daß diese Bauform keineswegs maurisch ist.

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Für die 44 km bis zum Kloster Santo Toribio braucht das Automobil fast eineinhalb Stunden. Der Bau geht auf das achte Jahrhundert zurück, doch davon sieht man nichts. Die heutige Kirche wurde 1256 errichtet, die weiteren Gebäude wohl hauptsächlich im 16. - 18. Jh. 1837 fiel das Kloster schließlich der Säkularisierung unter dem Freimaurer Mendizébal zum Opfer.

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Der Kult blieb aber über die Zeiten erhalten und dies geschah wegen der Reliquie. Im Bürgerkrieg war sie an unbekanntem Ort versteckt, um nicht von den Kommunisten zerstört zu werden, die dem Kloster den roten Hahn aufs Dach setzten.

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Die segensreiche Herrschaft des Caudillos brachte die Wiederbesiedelung des Klosters durch Franziskaner, von denen heute noch drei Greise übrig sind - je laxer ein Orden, desto eher vergeht er... Der franziskanische Bezug findet sich im Besuch des Heiligen Franziskus allhier, gelegentlich seiner Wallfahrt nach Santiago. Immerhin halten die Drei die Stellung, und im Gegensatz zu den andern großen Kreuzreliquien wie in Rom und Heiligenkreuz wird die Reliquie noch jeden Tag nach der Pilgermesse um 12 Uhr den Pilgern zum Kuße gereicht.

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Wie kommt es aber, daß sich just hier die größte Kreuzreliquie befinden soll? Im 5. Jahrhundert hat sie der Heilige Bischof Toribio von Astorga bei einer Pilgerfahrt ins Heilige Land in Jerusalem erhalten. Die Heilige Helena hatte ein Stück vom linken Querbalken in der Heiligen Stadt zurückgelassen und davon erhielt der Bischof einen Teil, vielleicht um ihn bei der Arianermission seiner Westgoten zu bestärken. Diese hatte dann auch durchschlagenden Erfolg - beim 3. Konzil von Toledo 589, als König Rekkared I. mit all seinen Mannen zum Katholizismus übertrat.

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Als ab 711 die Muselmanen in Spanien vordrangen, wurden die Kreuzreliquie und der Leib des Hl. Toribio ins unwegsame Gebirge des Nordens verbracht. Im 20. Jh. unterzog man das Lignum Crucis einer wissenschaftlichen Analyse. Die C14-Bewertung ergab ein Alter von rund 2.000 Jahren, das Material ist Zedernholz, wie es im Libanon und Palästina wächst.

So spirituell gestärkt besuche ich das hübsche Städchen Potos mit mächtigem Stadtturm, einer netten Kirche aus dem 18. Jh. und zahlreichen Wirtshäusern.

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Mein ethnologisches Interesse geht so weit, daß ich die viel gepriesene lokale Spezialität des Cocido Lebenigo probiere, wohl ein sehr altes Rezept aus einer Zeit, da es bei uns noch keine Paradeiser gab. Die hätten dem Eintopf gutgetan, der als fades Gemisch von Kohl, fettem Fleisch diverser Sorten und viel zu vielen Kichererbsen nur den sehr hungrigen Fußpilger erfreuen könnte.

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Der bin ich freilich heute nicht. Sei’s drum - auf den Rioja ist dann doch immer Verlass!

24.05.2024

Tag 28 | San Sebastián de Garabandal - Celis - durch das Nansa-Tal - Pesués; 28,5 km

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Viel hat sich in Garabandal in den letzten dreißig Jahren geändert. Die großartige Klarissin und Fernsehpredigerin Mother Angelica, die Garabandal in den 90er-Jahren besuchte, berichtete noch von den Holzschuhen, die die Einheimischen trugen, den verschlammten Wegen und der Frau, die abends mit der Kuhglocke durch das Dorf ging, um so an das Gebet für die Verstorbenen zu erinnern.

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Von all dem habe ich nichts gesehen. Noch immer aber ist alles hier sehr arm. Einen Laden für religiösen Kitsch gibt es, und eine Bar. Das ist alles. Die Hälfte der Bevölkerung ist in die Vereinigten Staaten oder nach Mexiko ausgewandert, auch zwei der Seherkinder.

 

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Quartier hatte ich gleich neben der Kirche, und eine dünne Brotsuppe am Abend, die nie einem Stück Fleisch begegnet war. Die Kirchenglocken wecken mich am Morgen, und - Gnadengeschenk dem Pilger - heller Sonnenschein und blitzblauer Himmel begrüßen mich am morgendlichen Weg hinauf zum Erscheinungsort. In diesem Licht strahlt alles in heiliger Ruhe, Kuhglocken hört man von fern - was übrigens die regulierungsfreudige EU verboten hat; wegen des Tierschutzes ...

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Ich bete, und studiere den Ort genau. Einst waren da neun alte Pinien, erst recht eine heilige Zahl; von einer sieht man aber nur noch den Stumpf, und so wurden zwei neue als Ersatz gepflanzt. Adler kreisen, und in der Ferne sieht man die Picos de Europa.

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Es ist, als könne man hier Herz und Hirn mit dem Guten neu aufladen, und so spaziere ich höchst vergnügt hinunter ins Dorf, grüße das Allerheiligste in der Kirche und mache mich auf den Weg; der Rucksack ist schwerer geworden durch Bücher und Bilder, die ich hier erworben habe.

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Ein einfacher Weg ins Tal; in Celis wird der Pilger vom Wirten herzlich begrüßt und üppig gespeist, einen ganzen Topf selbstgemachte Mayonnaise stellt er mir auf den Tisch - Salat muß nicht immer leicht sein!

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Im Nansa-Tal prächtiger Fernblick und schöne ursprüngliche Steindörfer.

Das ändert sich, sobald ich in Küstennähe komme. Da wuchert dann architektonisch wieder billiger Zeitgeist. Logis im Hostal Baveria. Man spricht deutsch, wäscht aber nicht meine Wäsche. Inzwischen bin ich aber mit heutigen Gebräuchen gut vertraut und lasse mich per Taxi in den nächsten Ort führen, wo es eine Münzwaschmaschine gibt. Bügeln ist bei moderner Kleidung abgekommen. Ich bedauere dies, wie die Optik moderner Kleidung überhaupt.

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Fröhlich stoße ich dann abends mit mir selbst an: auf den zweiten Tag ohne Regen der gesamten Pilgerreise. Womöglich erreicht sie mich endlich ,die Klimaerwärmung!

23.05.2024

Tg 27 |  Ruente - Puentenansa - Cosio - San Sebastián de Garabandal; 26,7 km

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Es freut der Pilger sich, zeigt ihm die Landkarte Serpentinen, denn die schneiden die Höhenschichtlinien sanft an und so geht es bei tadellosem Wetter zwei Stunden bergauf.

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Die bequeme Forststraße ist einem Naturlehrpfad geschuldet, der hier zu tausend Jahre alten Bäumen führt. Nicht angenehm ist es hingegen, an einer Herde kälberführender Kühe vorbeizumüssen oder ein solches Hörndlvieh vor sich am Weg zu sehen.

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In Cosio Menu del Dia; dann hinauf in den Wallfahrtsort. Die gut ausgebaute Straße verdankt der Pilger vielleicht der Gottesmutter. Denn sie soll den Seherkindern auf die Frage, wie denn Kranke in das Bergdorf, das in den 1960er-Jahren nur über einen steilen Steinpfad zu erreichen war, heraufkommen könnten, geantwortet haben, sie werde dafür sorgen. In den 90er-Jahren wollte eine Firma die oberhalb Garabandal gelegenen Gebiete für den Skisport erschließen, und um das zu bewerstelligen, mußte zuerst eine ordentliche Straße gebaut werden. Als diese Garabandal erreichte, war die Firma pleite, doch die Straße da.

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Bei strömendem Regen sind auch diese 6 km mühsam, doch ich freue mich auf eine Heilige Messe und möchte hier beichten gehen. Gleich drei Entäuschungen beim Eintreffen: Hl. Messe ist wochentags stets um 11:00, Priester gibt es im Ort keinen und ein Wirtshaus auch nicht - ein eigenartiger Pilgerort!

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Die Kirche ist zumindest immer offen, und ich finde einen Rosenkranzbeter. Die Darstellung der Madonna von Garabandal fehlt, da die Erscheinung von der Kirche noch nicht approbiert ist, dafür aber gibt es Statuen des Hl. Padre Pio und der Hl. Mutter Theresa, die beide an die Erscheinungen hier geglaubt haben.

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Ich wandere etwas traurig hinauf zum Erscheinungsort "bei den Pinien". Dort spüre ich erstmals Sakralität, und ich bin gewiß kein Esoteriker, vielmehr ein kalter Thomist.

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Acht - die heilige Zahl der Vollendung - Pinien stehen da isoliert auf einsamer, kahler Anhöhe, und sie sind uralt. Am Stamm der einen ist in einem Glaskasten eine Figur des Erzengels Michael angebracht, dort wo er den Seherkindern erschienen sein soll, an einem anderen Baum die Figur der Gottesmutter, wie sie sich in Garabandal gezeigt haben soll, eine junge Dame in weißem Kleid und blauem Umhang mit Skapulier. Gerade diese Beschreibung der Kinder gab Anlaß an deren Geschichte zu zweifeln, denn in Spanien wird die Skapuliermadonna stets im braunen Habit der Karmeliterinnen dargestellt, das hätten die Kinder wissen können. Aber gewiß konnten sie keine Ahnung davon haben, daß die Ikone am Berge Karmel im Heiligen Land die Himmelskönigin in weißem Kleid mit blauem Umhang und dem Skapulier zeigt.

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Bei leichtem Nieseln (wie in Lourdes) kniee ich nieder und bete den glorreichen Rosenkranz.Dann setze ich mich ein wenig und lasse den Ort auf mich wirken. Eine Gläubige schenkt mir ein Gebetbuch.

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Von oben kommend sehe ich einen Priester einherspazieren, keineswegs mit einer Pilgergruppe, alleine, in Soutane - ein absolutes Unikum in Spanien. Ich nähere mich ihm und bitte darum, beichten zu dürfen. Bei einem großen Kreuz läßt er mich hinknien und absolviert mich auf Latein.
Ich glaube die Erscheinungen in Garabandal sind echt.

22.05.2024

14:15 | 26. Tag; Santillana del Mar - Ruente; 26,6 km

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Santillana will mich nicht loslassen. Um 10 Uhr öffnet die Kirche, die zum Museum paganisiert wurde; gelegentlich werden dort noch Hl. Messen gefeiert. Der Kreuzgang aus dem 12. Jh. ist so großartig, daß er jede Änderung meines Zeitplans rechtfertigt; vielleicht gibt es auf der ganzen Welt noch hundert Meisterwerke dieser Art, viele davon in Spanien.

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Stundenlang könnte ich die Kapitele studieren und die Kirche aus dem 11. Jh. steht dem in nichts nach. Dort kann der Pilger auch die Reliquien der Hl. Juliana von Nikonedia verehren, denen die Kirche wie der Ort ihren Namen und ihre Existenz verdanken. Die frühchristliche Märtyrerin soll den Treufel in Ketten gelegt haben, wird vor allem bei Entbindungen angerufen und wurde besonders in den Niederlanden und Neapel verehrt.

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Die Neapoletaner behaupten ebenfalls, die Reliquien der Juliana zu besitzen, gerade so wie hier die Kantabrier - nun, die Anrufung zur Fürsprecherin wird sie da wie dort erreichen. Eine Stunde bestaune ich die Schönheit romanischer Kunst und besuche beim Auszug noch das kleine Diözesanmuseum im ehemaligen Dominikanerkloster, das eine nette Sammlung religiöser Volkskunst zeigt. Daß die angeschlossene Kirche entweiht heute als Lagerhalle dient, ist eine Schande, die der Ortsbischof zu verantworten hat.

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Bei gutem Wetter geht es über die Hügel, mit prächtigem Fernblick - saftiges Bauernland mit fetten Kühen auf den Weiden. Nun bin ich vom Pilgerweg abgewichen, denn ich möchte das nahe San Sebastian de Garabandal besuchen.

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Dort sollen sich 1961-65 Marienerscheinungen zugetragen haben und vor einem künftigen Glaubensabfall in Rom gewarnt haben. Die Ereignisse wurden von der Kirche weder bestätigt noch verworfen. Meine Priesterfreunde sind geteilter Meinung. Der verewigte Bischof von Chur, Mrg. Houonda, war von der Authentizität überzeugt. Ich will mir selbst ein Bild machen und habe mich für diesen Umweg von zwei Tagen entschieden.

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Bald vermisse ich die vertrauten gelben Pfeile, die den Weg nach Santiago anzeigen und mich seit Bayonne begleiten.
Die Route führt durch duftende Eukalyptuswälder und schöne Steindörfer, nachmittags dann im gewohnten Nieselregen.

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In Ruente ist das Quartier in Ordnung, doch alle Wirtshäuser geschlossen. Meine leibenswürdige Gastgeberin führt mich mit dem Wagen zur einzigen offenen Gaststätten in einiger Entfernung, wo ich außerordentlich schlecht esse - bzw. besser gesagt widerwillig meinen Hunger stille.

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Auf den Rioja freilich ist Verlaß: Trost des Pilgers und Freude des Herzens, wie es in der Bibel heißt!

21.05.2024

15:20 |  25. Tag; Santander - Rinonceda - Santinella del Mar; 31,9 km

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Reiche Gnaden für den zweiten Pilgerabschnitt. Sonne und Wolken, zwar kalt und windig, aber erstmals den ganzen Tag lang kein Regen.

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Überraschend lieblicher Auszug aus Santander durch eine Platanenallee, dann hügelauf und hügelab unbedeutendes; in Rinconceda eine Solvay-Chemiefabrik - häßlich, doch von irgendetwas muß die häßliche Moderne ja leben; sonst grüne Landschaft, recht zersiedelt, immer wieder Orte ohne Bedeutung.

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Santinella aber erschlägt mich mit unerwartetem Liebreiz! Ein Museumsort wie Dürnstein oder Rothenburg ob der Tauber.

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Die Kirche ist natürlich bereits geschlossen und ergo muß ich bleiben, bis morgen 10 Uhr, um dieses romanische Juwel zu bewundern.

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Das Beste heute Abend freilich ist das Wiedersehen mit meinem badener Pilgerbruder! Den Arroz Bogavante haben wir jetzt zu zweit und dabei unseren letzten Gedankenaustausch am Weg, denn morgen gehen wir in unterschiedliche Richtungen: Er bleibt am Camino und ich mache einen Abstecher in die Berge.

Er lehrt mich viel; über den Fleiß des deutschen Arbeiters, den Stolz des Familienzusammenhaltes und die Idee des Pilgerns.

Er, der einmal von seinem Haus im Badischen ausgegangen ist, weiß: der erste Monat ist für den Körper, der zweite für den Geist und der dritte Monat: dann beginnt’s!

20.05.2024

⁠Tag 24 | quasi Ruhetag; Sono - Santander; 10 km Stadtspaziergang

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Bei leichtem Nieselregen mit dem üblichen Schifflein nach Santander übergesetzt; Quartier in einfacher Pension neben der Markthalle.

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Das Schönste an Santander kommt aus Valencia, Sorollas Gemälde "Al bano", zu sehen im Centro Botin - gleiches Schema wie in Bilbao: Ein reicher Mann will sich ein Denkmal setzen, um damit seinen avancierten Kunstgeschmack, verbunden mit seiner Offenheit für das Neue, der Nachwelt zu überliefern.

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In diesem Falle hat Jaime Bontin aus der Banquiersfamilie der Banco Santander den italienischen Modearchitekten Renzo Piano angeheuert, der auch die Grablege des Hl. Padre Pio baulich geschändet hat, um in seiner Heimatstadt ein Ausstellungs- und Kulturzentrum zu bauen, das vor allem seinen Namen tragen muß. Das Ergebnis ist bei weitem nicht so spektakulär wie in Bilbao, aber Botin ist ja auch nicht Guggenheim.

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Vielleicht zehn Bilder der klassischen Moderne kann man hier sehen - der Sorolla ist das Beste - und dann folgen wieder leer Hallen von verkrampfter Originalität in minimalistischer Façon. Am nettesten waren in dieser Situation noch die auf hohen Barhockern arrangierten Wärterinnen anzuschauen, und die sahen nicht besonders aus.

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Dabei ist Santander doch zu preisen. Als frommste Diözese Spaniens war die Stadt einst bekannt und hat als letzte in ganz Spanien dem linken octroi folgend anno 2008 ihr Francodenkmal entfernt; befohlen von der Partito Popular, Schwesterpartei der ÖVP und ebenso konservativ wie diese; warum wundert mich das jetzt nicht?

Zwar neuer Ritus wie überall in Spanien (Vurschrift is' Vurschrift - Spanier sind sehr obrigkeitshörig), aber dezent und ohne Extravaganzen, so erlebe ich die Pfingssonntagsmesse in der Kathedrale, die wie alles hier bemühte Rekonstruktion ist.

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Zweimal nämlich hat das Schicksal der Stadt übel mitgespielt: 1893 flog die "Cabo Machichaco", die Dynamit geladen hatte, in die Luft und devastierte das gesamte Hafenviertel. 1941 brach ein Großbrand aus, der, durch heftigen Sturm angefacht, die gesamte Altstadt vernichtete und dabei eben auch die Kathedrale zerstörte.

Die Restauration und Rekonstruktion im Franco-Barock konnte das Verlorene nicht ersetzen, schneidet aber im direkten Vergleich zum rücksichtslosen Bauen von heute gar nicht so schlecht ab.

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Viel mehr hat Santander nicht zu bieten, außer einen Waschsalon und wunderbare Wirtshäuser, wo ich in einem Museo del Vino mit Studien den Tag abschließe.

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19.05.2024

Tag 23 | Laredo - Santoña - Arnuero - Bareyo - Somo; 32,6 km

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Die Sonne überrascht mich diesen Morgen - ich trage erstmals Sonnenöl auf und bin von übertriebenem Optimismus erfüllt.

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So schreite ich entschlossen aus, auf der 3 Kilometer langen Uferpromenade, auf der Suche nach einem Café, um mein Frühstück einzunehmen. Die erste Enttäuschung: So etwas gibt es hier nicht. Auf Nachfrage erklärt mir ein Einheimischer, die Appartementblocks seien sowieso nur im Sommer bewohnt und irgendwie brauche da niemand ein Café.

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Mit der üblichen kleinen Barkasse setze ich über die Bucht und finde tatsächlich in Santoña das Gewünschte.

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Der Ort ist scheußlich wie alles hier. Dafür kann ein gewaltiges Gefängnis mit Meerblick für seine Gäste auftrumpfen.

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Ich nehme die Diretissima, die Staatsstraße 141, mit gerade einmal 200 Höhenmetern, vorbei an den alten Orten. Die romanische Kirche von Bareyo hätte ich gerne besucht, doch sie ist natürlich geschlossen.

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Nachmittags der obligate Regen, nur leicht aber beharrlich. Um 17:30 bin ich am Ziel.

Das Schönste an Somo sind die Vokalität des Namens; ich erinnere mich an ein Waschmittel meiner Kindheit, meine Oma, Diktator Somoza und Sumoringer, die Assoziationen von Üppigkeit evozieren. Sonst ist wieder alles häßlich, nur nicht so großgeklotzt wie anderswo, dafür ist der Strand zu klein.

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Die Kirche kann nur als optische Blasphemie bezeichnet werden. Der geschichtslose Ort scheint auch keine andere Funktion zu haben, als einigen Surfern ein Revier zu bieten und Anlegestelle für das Boot zur Überfahrt nach Santander zu sein. Daher gibt es hier immerhin tadellose Gastronomie.

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Heute bin ich fast bei der Halbzeit: 47 Tage bis Santiago sind geplant, heute ist der 23. Tag und wie an allen davor bin ich wenigstens zeitweise im Regen unterwegs, bei Tagestemperaturen stets zwischen 7 und 17 Grad. Alle Stadtspaziergänge eingerechnet stehe ich jetzt bei exakt 578 km.

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Das alles war aber nicht mehr als ein Aufwärmtraining. Denn bald beginnen erst die harten Bergetappen. Das kantabrische Gebirge gilt es zu überwinden! Die Mauren haben sich das zu ihrer Zeit erspart und so blieb Cantabria der letzte freie Rest des Westgotenreichs. Hier begann die Reconquista.

781 Jahre Krieg! Manchmal braucht man einen langen Atem zur Rettung des Vaterlandes!

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18.05.2024

Tag 22⁠ | Castro Uridales - Iseca Vieja - Laredo; 26,8 km

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 Ein leichter Tag: kaum Regentropfen, kalt, doch teilweise sonnig, freilich stets ungewiß.

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Exzellente Straße parallel zur kantabrischen Autobahn, und die übernimmt den meisten Verkehr; gewiß der alte Weg, der möglichst direkt verläuft und die Höhe hält, daher gerade einmal rund 200 Höhenmeter.

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Auch erspart die Route etwa sieben Kilometer vom ausgeschilderten Pilgerweg, der wohl Wanderer befriedigen soll, aber nicht den Pilger, der möglichst schnell und mühelos sein Ziel erreichen möchte. Diese alten Wege haben sich freilich über die Jahrhunderte so bewährt, daß sie zu Straßen ausgebaut wurden, heute aber benutzt sie dank der Autobahn kaum mehr jemand.

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Ich treffe einen Pilgerbruder vom Vortag wieder, einen Profi, zehn Jahre älter als ich, in tadelloser Form, ein badensischer Kleinindustrieller von großer lebensweltlicher Tüchtigkeit, dabei aber ein frommer Katholik. Von seinem Hause aus ist er schon einmal in drei Monaten bis Santiago gepilgert, ebenso nach Rom, und kennt alle Pilgerwege im Italienischen; ein Profi eben, der deshalb ebenfalls die Straße nimmt.

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Mein neuer Freund sieht alles richtig. Die Schnoddrigkeit der Konzilskirche erkennt er ebenso wie die Abschaffung Deutschlands. Er weiß, daß Merkel sein Land in den Abgrund geführt hat; und doch ist ihm die AFD "zu steil": Der CDU "nochmal eine Chance geben!". Aber wozu? Sie hat all das verbrochen, was nun die rot-tiefrote (sprich grüne) Regierung konsequent umsetzt.

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Wir verstehen uns trotzdem prächtig und selten finde ich einen Pilger, von dem ich so viel lernen kann. Glück der Begegnung am Weg - nie wirklich zufällig, denn Zufall ist die Logik Gottes. ER läßt uns etwas zufallen!

 

In Isera Vieja - einem hübschen Ort, so weit ab der Touristenszone, daß er seine historische Bausubstanz erhalten hat und nicht niederbetoiert wurde - nehmen wir das übliche Menu del Dia, dann bleibt gerademal noch eine Stunde bis zum Ziel.

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Laredo hat den längsten Sandstrand Cantabriens, und dafür mußte es bitter büßen. Grausam zugekotzt mit Appartementblocks ist der gesamte Strand - und da hat sich nicht einmal irgendein Architekt die Mühe gemacht, sich hinfällig selbst zu verwirklichen. Da ging es nur um’s schnelle Geld. "Zack-Zack!", wie man gerade heute sagt...

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Dabei ist Laredo ein historisches Städchen. König Alphons II. hat hier im VIII. Jh. die Piraten abgewehrt und an der höchsten Stelle der Altstadt thront eine prächtige Kirche des 13. Jh., die selbstverständlich geschlossen ist.

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Im 19. Jh. hat man einen 220 Meter langen Tunnel durch den Hausberg gegraben, der in eine wildromantische Felsenbucht führt; warum habe ich allerdings nicht verstanden.

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Im Hafen speise ich vorzüglich und jetzt fehlt er mir besonders, mein neuer Pilgerbruder. Denn den Arroz Bogavante, Hummerrisottto, gibt’s nur für zwei. All meine Einreden nutzen nichts. Mit Spaniern kann man nicht verhandeln!

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17.05.2024

⁠Tag 21 | Pobeña - Baltezana - Santullán - Castro Uridales; 21,2 km

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Aufbruch von den Gestaden des Meeres über die Hügel; der eigentliche Pilgerweg an den Klippen ist wegen des Regens der vergangenen Tage abgerutscht, man muß die Straße nehmen, die sich, weil kaum befahren, als köstliche Alternative erweist.

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Sie steigt sanft an und hält die Höhe, wärend der Pilgerweg, der sie später berührt, immer wieder in den Graben abtaucht und dann wieder mühsam aufsteigt. Ich erspare mir Höhenmeter und zahle mit vielleicht zwei Kilometern mehr. Die durchwanderten Ortschaften sind irrelevant.

Auf Castro Uridales aber freue ich mich, ein im Mittelalter bedeutender Ort, der ab 1296 Haupt der "Hermandad de las Marinas" war, des Kooperationsverbandes aller Orte spanischen Nordküste.

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Kälte und Regen hier, in Aragon sind schon die Kirschen reif, doch Aragon ist weit.

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Die Annäherung an Castro Uridales läßt mich Schlimmes befürchten. Da wurde auch viel gebaut! Die Silhouette der Stadt versinkt hinter Appartementblocks der letzten 50 Jahre, die hingeklotzt wurden wie’s heute der Brauch.

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Ab der Calle de Jardines zeigt sich endlich die Schönheit der Stadt; in der Ferne Festung und Kirche, an der Uferpromenade bizarre, aber durchaus imponierende Jugendstilbauten. 

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Ich nehme Quartier in einer einfachen Pension an dieser Meile, schönes Stiegenhaus, mein Zimmer hat acht Betten, Blick auf’s Meer und kein Bad, das ist am Gang; das Wichtigste aber: Da steht ein Elektroheizkörper, was meinen Körper beglückt.

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Gerade mal für zwei Stunden, von 18 bis 20 Uhr, hält die Kirche ihre Pforten geöffnet - und da wird der Partisan der Schönheit mit dem Eindruck der bedeutendsten gotischen Kirche Kantabriens beschenkt.

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Die steinerne Madonna aus dem 13. Jh. thront in nobler Hoheit, und das Bild für den Sakramentsaltar hat Zurbaran gemalt. Andacht und edle Erhabenheit bestimmen den Raum.

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Das Herz des Pilgers lacht, und bald auch sein Magen denn in der "Masqueria Alfredo", dem besten Haus am Platz, gönne ich mir ein Festmahl, um meinen eigentlichen Eintritt nach Spanien zu feiern.

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Denn seit heute pilgere ich in Cantabria. Das ist klimatisch immer noch atlantisch, ich muß aber die irritierenden baskischen Buchstabenreihen nicht mehr lesen und der Wein ist besser.

16.05.2024

Tag 20 | Bilbao - Portugalete - Pobeña; 25,4 km

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Viele Museen habe ich schon gesehen. Das der schönen Künste in Bilbao wird mir als das Dümmste von allen in Erinnerung bleiben. 10.000 Werke besitzt es und 600 sollen ausgestellt sein. Der El Greco ist nicht darunter. Dafür kann man Möbelstücke der 1960er-Jahre bewundern, die mir von der Sperrmüllmulde bei Wohnungsräumungen geläufig sind.

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Gezählte sieben Werke der klassischen Malerei sind zu sehen: zwei Murillios, zwei Zurbarans, ein Ribera, ein Gentilesci und ein Van Dyck.

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Dafür sind ganze Zimmerfluchten ausgefüllt mit raumgroßen Plastiksäcken in weiß oder schwarz, die permanent durch ein Gebläse aufgeplustert werden - das Werk eines zeitgenössischen Lebenskünstlers aus Brooklyn, dessen Namen zu merken ich mich weigere.

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Der Auszug aus Bilbao zeigt so viel Scheußlichkeit, daß diese im Gesamteindruck als Dystopie schon wieder beeindruckend wirkt.

Es folgt ein leichter Weg entlang dem Rio de Bilbao, natürlich im Zirimiri. Ich werde dieses Vokabel in meinen Wortschatz übernehmen; im Salzkammergut wird es weltläufigen Eindruck machen - oder mich als "Weana Trottl" klassifizieren.

Portugalete berühre ich nur am Rande beim Durchstreifen seiner nördlichen Architekturjuwelen, bis ich das freie Land erreiche.

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Selig die Radfahrer, denn ihrer sind die guten Wege! So gleite ich gleichsam unbeschwert zwischen Autobahn und Schmierereien bis zum Meer.

  

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Doch halt, nach dem Bilbaoerlebnis sollte ich die Murales nicht so schnöde traktieren. Vielleicht handelt es sich um eine Außenstelle des Guggenheim Museums - dekorativer als das was ich dort gesehen habe, sind sie doch allemal!

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Die Brandung tost an der Küste. So stelle ich mir Irlands Gestade vor. Mir ist kalt. Ceterum censeo: Ich bin kein Atlantiker.

15.05.2024

Tag 19 | Bilbao; Ruhetag; Spaziergang 12,2 km

Es regnet. Bilbao gilt als die feuchteste Großstadt Spaniens. Drum ist es auch so schön grün rundherum. Die Stadt bleibt grau wie sie immer war, trotz aller Behübschung der letzten Jahrzehnte; denn Geld ist genug vorhanden.

Zirimiri - so nennen die Basken liebevoll ihren scheußlichen Nieselregen. In diesem erkunde ich zunächst die nähere Umgebung meines Quartiers, am Rande der Altstadt gelegen und dabei weltoffen vom Flair Afrikas umweht. Die Mohren fühlen sich in diesem Klima auch nicht wohl, sind aber gekommen um zu bleiben. 

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Ich wandere meine Straße westwärts und bin zunächst von der Liebenswürdigkeit heruntergekommener, beleibter alter Frauen erstaunt, die mir alle "Guapo" nachrufen, bis ich dahinter komme, daß ich mitten am miesesten Straßenstrich logiere. So häßliche Huren habe ich einzig einst im Hafen von Genua gesehen, hier aber ist es mir ein Rätsel, woher die Kundschaft kommen soll, da keine einschlägig ausgehungerten Seeleute nach großer Fahrt ihre Runden drehen.

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Die Gegend wird allmählich arabischer und ich nehme nun gerne die Dienste eines marokkanischen Barbiers in Anspruch; in der folgenden Chinesenzone finde ich alles für die notwendigen Einkäufe.

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Nun flaniere ich im Zirimiri durch Protzboulevards des 19. Jh., die von Norman Foster mit schmucken U-Bahn-Abgängen möbliert wurden, bis ich bei einer der Protzikonen der Moderne anlange: dem Guggenheim Museum. 

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19. Jh und Norman Foster

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Frank O. Gehry hat hier ohne Zweifel ein Meisterwerk geschaffen, auch wenn es im Regen nicht so zur Geltung kommt, wie wenn die Titanhaut das gleißende Sonnenlicht reflektiert. Das Ding ist freilich kein Gebäude und in diesem Sinne nicht Architektur, sondern eine begehbare Skulptur, ähnlich der Freiheitsstatue in New York.
Die Blickwinkel, Sichtachsen und die rhythmische Behandlung der Wandflächen beeindrucken ebenso wie die offenen Treppenhäuser mit immer neuen Perspektiven des Abgrunds. Mich wundert, daß bislang noch nie ein zeitgeistiger Selbstmörder die Gelegenheit genutzt hat, hier den Absprung zu wagen. Medienecho, kurzfristige Prominenz in den Abendnachrichten und ein starker letzter optischer Eindruck wären ihm gewiß. 

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Was im Bauch dieser Skulptur freilich gezeigt wird - Moderne nach 1945 - ist weder provozierend, noch revolutionär, mutig oder originell. Es ist einfach nur dumm, doch nicht so dumm wie die kunstbeflissenen Pseudoconaisseurs, die des Kaisers neue Kleider anglotzen. Weiß Gott, der Kaiser ist splitternackt! Wie sagte einst ein englischer Freund zu mir so treffend: "Modern art was made by God to punish rich people!" 

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Es gibt in Bilbao freilich auch ein "Museo de Bellas Artes", also auch einen Hort schöner Kunst. Das hat aber am Dienstag geschlossen und sperrt erst morgen um 10 Uhr auf. 

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Da ich durchaus niemals mehr in meinem Leben nach Bilbao kommen möchte, werde ich mit Glockenschlag 10 Uhr vor der Museumstür stehen und eben erst um 12 abmarschieren. Weit ist die morgige Etappe nicht und ein einziger El Greco rechtfertigt jede Planänderung. Alles für die Schönheit! Ups - war das jetzt vielleicht ein Nazi-Code, für den ich noch eingesperrt werde? 

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14.05.2024

⁠Tag 18 | Guernica - Larrabetzu - Bilbao; 30 km

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Beim Auszug aus Guernica sehe ich ihn endlich, den heiligen Baum von Guernica, einen Baumstrunk unter einem reizenden klassizistischen Rundtempietto, den zu zerstören der Legion Condor ebensowenig gelang wie die 15 Meter lange Brücke, über die ich das Städchen betreten habe. Einzig um diese zu zerstören wurde anno 1937 der enorme Luftaufwand getrieben - vergeblich!

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Jedenfalls war es nicht Ziel, die baskische Identität an ihrem Sakralort zu vernichten, denn von dem wußte der Freiherr von Richthofen gar nichts. Die ganze militärische Spezialoperation wurde auf Obristenebene rein technisch abgewickelt; bloß wegen der blöden Brücke - und die wurde nicht getroffen!

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Ich finde zu den Basken keine valide Einschätzung. Einerseits imponiert mir das urtümliche Alter ihrer Sprache, ihr entschlossener Freiheitsgeist und ihr zäher Widerstand gegen jeden Eindringling; andererseits sind die meine Freunde von Karl dem Großen bis Franco - ich bin also Partei.
Heute päsentiert sich der baskische Seperatismus jedenfalls als lupenreiner Nationalbolschewismus und schon deshalb mag ich ihn nicht.

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Die baskische Fahne zeigt auf roten Grund für das Land ein grünes Andreaskreuz für das gute alte Recht der Basken und ein weißes Kreuz für Gott. Wo war im baskischen Denken dieser Gott, als sie sich für ihre Seperatrechte bedenkenlos mit den satanischen Kommunisten von Stalins Gnaden einließen, die die blutigste Christenverfolgung in Europa seit dem alten Rom abfeierten?

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Schön ist die "steirische" Landschaft, durch die ich nun auf gutem Weg marschiere, weit mehr Höhenmeter und Kilometer als gestern, und ich gelobe: Nie wieder will ich vom rechten Pfad abweichen!

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Moral tadellos, um 18 Uhr treffe ich in Bilbao ein und entbiete Santiago in der Kathedrale meinen ersten Gruß.

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Das Hotel, wo ich zwei Nächte zubringen werde, ist deutlich teurer als die bisherigen Absteigen. Als ich meine Schmutzwäsche mit der Bitte um Reinigung zur Rezeption bringe, lehnt der Concierge rundweg ab und verweist mich auf eine Münzwäscherei in einiger Entfernung. Ich wende ein, in einem Qualitätshotel dürfe man doch ein solches Service erwarten. "Das ist kein Qualitätshotel!" gibt der Mann zurück.

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Draußen setzt schwerer Regen ein.

13.05.2024

⁠Tag 17 | Aulesti - Guernica; 16,3 km

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Die Bodenmatte für den Schlafsack habe ich nicht mitgenommen, da ich mit ausreichender Infrastruktur gerechnet habe und nicht mit "Quartier" im Freien. Die Machete habe ich nicht mitgenommen, da ich mit gangbaren Wegen gerechnet habe.

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Immer aber bringt das Pilgerleben Überraschungen. Bei trübem Wetter breche ich frohgemut auf und rechne mit einer Halbtagesetappe und Ankunft zum Mittagessen in Guernica. Mein selbst zusammengestellter Weg erspart mir beim Camino fast einen Tag. Heute gilt es nur 16 Kilometer und einen 500 m hohen Paß zu überwinden und dann munter ins Tal abzusteigen.

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Ich gehe es gemütlich an und raste nach jeweils 100 Höhenmetern kurz. Nach 300 Höhenmetern kommt ein Wegstück, das die Höhenschichtlinien sanft anschneidet und ich rechne mit einem geruhsamen Hangweg. Der Weg ist aber abgekommen, zunächst nur etwas verwachsen, dann gänzlich zugewachsen, dazu abgerutscht und von vermodernden Stämmen verlegt. Da ist ein Moment, wo ich weder vor noch zurück kann und meine Beine sind von Dornen blutig gekratzt.

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Irgendwie muß es aber gehen und ich klettere über Totholz und Dornengestrüpp nach oben, der Weg unter mir ist ins Tal abgebrochen.1 1/2 Stunden habe ich für eine Strecke von 800 Metern gebraucht. Gut, auch nach 20 Jahren Pilgern lerne ich dazu; hier konkret, daß man im Baskenland nicht markierten Wegen nicht trauen kann.

Umso schwieriger gestaltet sich der Abstieg, da ich nun die verzeichneten, aber verwachsenen Wege meide und nach Himmelsrichtung Forststraßen suche, die zu Tale führen.

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Guernica sieht nicht einmal so übel aus, wie ich erwartet hatte. Die heilige Stadt der Basken ist ja durch Picassos Bild und die zeitgenössischen Berichte des britischen Journalisten George Steer als Fanal für Grausamkeit und Massenmord des Bürgerkriegs im allgemeinen Bewusstsein.

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Franco selbst wollte kein Flächenbombardement der damals rund 5.000 Einwohner zählenden Kleinstadt, er wollte den Ring um Bilbao, das Zentrum der separatistischen Linksregierung des Baskenlandes, gesprengt wissen.

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Wolfram von Richthofen, Stabschef der Legion Condor, wollte einmal ausprobieren, was militärisch denn so alles geht. Das wollten die Amerikaner in Hiroshima und Nagasaki auch, als Japan bereits kurz vor der Kapitulation stand. 250.000 Tote waren dort die Folge. In Guernica kamen rund 250 Menschen ums Leben.

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"Think big!" sagt man schließlich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten...

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12.05.2024

Tag 16 | Elorriaga - Itziar - Deba - Mutriku - Ondarroa - Aulesti; 35,2 km

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Die einzige Straßenbeleuchtung über dutzende Kilometer erleuchtet strahlend hell den kleinen Kirchenplatz und damit mein Nachtquartier; ich ziehe meine Baskenmütze tief über die Augen und finde so schließlich Schlaf. Solche Quartiere verhelfen zu früher Tagwache. Bildschirmfoto 2024 05 12 um 10.41.51   Bildschirmfoto 2024 05 12 um 10.41.58

Gestern Abend sah ich die Lichter von Itziar und erwog, noch weiter zu gehen. Bei der schwierigen Topographie sind es aber doch 1 1/2 Stunden, bergauf und bergab, als Morgenspaziergang. Dort wie erwartet Häßlichkeit, aber eine schöne Kirche - immerhin.

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Keine Bar, kein Frühstück; das gibt es erst unten in Deba, gleichfalls von beeindruckender Scheußlichkeit; gerade mal ein altes Wappen hat sich erhalten, und es gilt wie stets: je kleiner die Familie, desto größer das Wappen.

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Nun habe ich die Route umgeplant um die sinnlosen Höhenmeter des kanonischen Weges zu vermeiden.

Ich gehe nun auf angenehmem Radweg die Küste entlang ins scheußliche Mutriku. Man kann all diese Häßlichkeit nicht nur dem Caudillo in die Schuhe schieben, denn die allermeisten architektonischen Verbrechen stammen aus unserer gloriosen Epoche. Auch am Strand nichts Schönes zu sehen.

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Also wieder hinauf; dort schaut’s aus wie irgendwo zwischen Vorau und Pischelsdorf. Mein Weg ist natürlich nicht markiert und ich muß penibel achtgeben. Donner und Blitz, dann Starkregen; die Interferenzen stören das GPS; im Blindflug nach Gefühl über den letzten Höhenrücken nach Aulesti; auch kein schöner Ort.

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Dort sprechen die Leute tatsächlich Baskisch; mich ermüdet es inzwischen, die unverständlichen Buchstabenfolgen mit lauter Ks und X' und Zs zu lesen.

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Nach zwei Tagen wieder eine warme Mahlzeit - nicht besonders gut, aber eben warm. Ein Zimmer für mich alleine, eine Gemeinschaftsdusche, und Warmwasser gibt es nicht.

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11.05.2024

⁠Tag 15 | San Sebastián - Orio - Zarautz - Zumaia - Elorriaga; 34,5 km

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Teuer hat der Partisan der Schönheit für die Schönheit hierzulande zu bezahlen. Steiler Aufstieg zu den Kammwegen, alldort dann herrlicher Blick, steiler Abstieg zu den Flußüberquerungen in den häßlichen Orten und sogleich wieder steiler Aufstieg, um Gottes Herrlichkeiten schauen zu können.

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So kamen heute rund 900 Höhenmeter zusammen. Die passierten Orte sind keiner Erwähnung wert.

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Die Landschaft: Oststeiermark am Meer.

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Die Buchungslage der Quartiere, auch der Pilgerherbergen, gleicht jener der Südsteiermark im Herbst.

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Alles ausgebucht; in Zumaia existiert die Herberge nicht mehr, doch die freundliche Meßnerin verweist mich auf die Albergue Santa Clara; Aufstieg 120 Höhenmeter; dort ist ebenfalls alles ausgebucht und auf mein Ersuchen, in meinem Schlafsack unter dem Vordach schlafen zu dürfen, jagt man mich fort; completo es completo - mit Spaniern kann man nicht verhandeln.

Ich ziehe meiner Wege; die Sonne geht um 21:20 unter. Im Weiler Elorriaga finde ich auf meiner Landkarte eine Bar verzeichnet. Vielleicht kann man vom Wirten nach üppiger Trinkzeche einen Unterstand erbitten.

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Die Bar existiert schon lange nicht mehr und ich nächtige wo es dem Pilger gebührt: unter dem Vordach des Kirchleins. Deus providebit!

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10.05.2024

 Tag 14 | Hendaye - Irun - Lezo - Passaia - San Sebastián; 26,3 km

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Am Morgen nehme ich endgültig Abschied von Konrad Markward Weiß, der sich nun nach Paris begibt, wärend ich mich nach Spanien durchschlage. An dieser Stelle sei er besonders bedankt, daß er auch weiterhin diese meine Texte durchsieht und die Schlampigkeiten des abendlich müden Pilgers ausmerzt. Außerdem sei dem Leser die von meinem theuren Freund geleitete Zeitschrift DER ECKART - allmonatlich mit einem "Streifzug" aus meiner Feder erscheinend - sowie die entsprechende Netzseite www.dereckart.at ans Herz gelegt!

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Hendaye bietet dem Besucher wenig Schönes. Das Wichtigste ist sowieso der Bahnhof. Am 23. Oktober 1940 ließ der Generalissimus Franco Adolf Hitler zunächst einmal dort warten; mit gebotener diplomatischer Verspätung traf der Spanier dann zu seinem einzigen persönlichen Treffen mit dem Führer des Deutschen Reiches ein.

Schmerzlich ist es gewiß, doch man muß einem Freund auch "nein" sagen können. Nein, Franco wollte nicht in den Krieg eintreten und er hatte auch nicht vor, den Deutschen die Kanaren als unsinkbare Flugzeugträger zu überlassen. Hitler soll die Beherrschung verloren und den Übersetzer vergessend gebrüllt haben, er hätte im Bürgerkrieg die falsche Seite unterstützt.

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Der Grenzübertritt gestaltet sich derart unauffällig - ohne jede Linie, Grenzsteine oder Fahnen - daß man nur deshalb merkt, daß man in Spanien ist, weil man es weiß.

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Die schönen französisch-baskischen Fachwerkhäuser findet man nicht mehr, dafür wenige klassisch spanische barocke Steinbauten und viel moderne Scheußlichkeiten.

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Wo gehobelt wird, da fallen Späne, und im nördlichen Baskenland mußte der Caudillo in der Cruzada - meine spanischen Freunde entrüsteten sich, sagte ich "guerra civil" - hart den Hobel ansetzen. Das hatte architektonische Konsequenzen .

In Passia umschreite ich eine ausgedehntes Mündungsbecken, das einen gewaltigen Industriehafen birgt, der nicht schön anzusehen ist.

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Familien sieht man verträumt den großen Schiffen nachblicken und vielleicht denken sie an daheim.

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Im alten kleinen Hafen setze ich mit einer Barkasse über, wie das seit 1.000 Jahren hier der Brauch ist.

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Dies ist übrigens einer der Gründe dafür, daß der beliebteste Pilgerweg der über die Pyrenäen ist. Die Fährleute mußte man nämlich bezahlen, weit öfter einst als heute,  da es keine Brücken gab, und überdies hat der Camino Frances bloß drei Paßübergänge, nämlich eben die Pyrenäen, die Leoneser Berge und die Galicischen Berge.

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Am Camino del Norte geht es dauernd auf und ab, keine gewaltigen Gipfel, aber es läppert sich.

Um dem neuen Pilgerweg auszuweichen, der absichtlich über alle Kämme führt, bleibe ich an der Straße, die zu meinem Mißvergnügen zur vierspurigen Autobahn wird; zwei Kilometer in dieser Verkehrshölle gleichen zehn im Gelände.

Passia geht irgendwo in San Sebastián über, ein Ortschild sehe ich nicht.

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San Sebastian - Abneigung auf den ersten Blick: großkotzig neureich ohne Tradition; macht ein bißchen auf Paris, kann es aber nicht.

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Wegen des Feiertages ist kein Quartier zu bekommen. Ich ergattere ein Bett im Achterzimmer in einer Pilgerherberge , schon recht abseits vom Zentrum. Dort gäbe es etwas zu essen, doch ich bin zum Ausgehen zu müde. Trostschokolade aus Bayonne schließt den Tag. Heute hatte der pralle Pilger nichts zu lachen!

09.05.2024

13.⁠ ⁠Tag; Bayonne - Bidart - St. Jean de Luz - Hendaye; 34 km

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Durch Vaubans Festungswälle, die die Stadt im Süden und Westen schirmen, verlasse ich Bayonne. Militärisch ging‘s hier immer zu. Das Bajonett wurde 1640 hier erfunden und hat seinen Namen von da ; und nicht weit von meinem Weg, im Schloß Marracq, das heute in Ruinen liegt, entschied sich einst das Schicksal Spaniens.

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Die Bourbonen haben als Dynastie Spanien nie gutgetan und so zitierte Napoleon Vater und Sohn der verkommenen Familie nach Marracq, um hintereinander abzudanken, damit sein Bruder Joseph die Firma übernehmen konnte, die Spanien heißt.

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Gnadenwetter ist dem Pilger im Baskenland gegeben; und der prachtvollste Weg der ganzen bisherigen Wallfahrt, hoch über der zerklüfteten Küste. "Hoch über" heißt aber auch rauf und runter, und das strengt an. Nach den Landes muß ich mich erstmals wieder an Höhenmeter gewöhnen.

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Bidart ist entzückend und in gehobener Feststimmung, denn heute, am 8. Mai, ist Feiertag in Frankreich. Die "Fille ainé de l‘Eglise" begeht wohl so den Festtag der Erscheinung des Erzengels Michael am Monte Gargano und den Triumph der Hl. Jeanne d‘Arc bei Orleans, jeweils am 8. Mai geschehen.

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Durch atemberaubende Landschaft nach St. Jean de Luz, das bestimmt ein bezauberndes Städchen ist, wegen des Feiertags aber so überlaufen, daß man den Ort nicht sieht. Touristenmassen tummeln sich wie in Venedig zu Feragosto. Louis XIV. nahm hier seine Gemahlin Infantin Maria Teresa in Empfang und erhielt den Segen in der Kirche. Er blieb mehr als ein Monat, gewiß um die frisch Angetraute näher und intimer kennenzulernen.

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Wohl alles sehr schön hier, doch ich fürchte die Massen und flüchte nach Hendaye, auf köstlichem Pfad die Küste überblickend.

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Nahe dem Ortsanfang von Hendaye darf ich bei der Tante des theuren Freundes und kurzfristigen Pilgerbruders Konrad Markward Weiß üppigste Gastfreundschaft genießen.

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Doch ich bin müde. Dabei fangen die Bergwertungen ab Spanien erst richtig an. Da friert man dann nicht!

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08.05.2024

Tag 12 | Ruhetag in Bayonne; 7 km Spaziergang 

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Bayonne lohnt einen Ruhetag. Die bezaubernde Stadt im äußersten Südwesten Frankreichs war stets heißbegehrt. Die Engländer hielten diesen Teil der Mitgift der Mutter des Richard Löwenherz bis 1451, und sogar ein britischer Thronfolger wurde hier geboren. Dann versuchte Spanien mehrmals seine Grenzlinie hier zu arrondieren - vergeblich. Französisch blieb dieser Teil des Baskenlandes, und baskisch ist er auch irgendwie.

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Im reizenden Baskischen Heimatmuseum frage ich die zuständige Dame, wer denn eigentlich Baskisch spricht. "Ich" gibt sie etwas zögerlich zur Antwort und bekennt, daß auch sie die Sprache ihrer Vorfahren in gewißer Weise nachlernen muß. "C‘est difficille avec les petites langues en France" sagt sie bitter und verweist dann gleich auf die occitanischen Varietäten von Gascognisch und Béarnisch. Letzteres hat übrigens die Dame in Lourdes gesprochen...

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Baskisch ist etwas ganz anderes, uns völlig unverständlich und datiert vor der indogermanischen Einwanderung vor rund 4.000 Jahren; gewissermaßen die Sprache der Ureuropäer, deren spärliche Reste sich in den abgelegenen Tälern der Pyrenäen erhalten haben. Rund 50.000 Specher auf französischer und 700.000 auf spanischer Seite gibt es noch. So kann es kommen, wenn zu viele Fremde kommen!

Ich liebe Heimatmuseen, die stets einen familiären Blick auf das Eigene geben. Man wird so in die gute Stube der Einheimischen gebeten und nimmt an ihrem Leben Anteil, mit all seinen verspielten Details jenseits einer internationalen Hochkultur.

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So zeigt man hier die typische Teufelsmarionette, die beim örtlichen Puppenspiel den spaßigen Namen "Mahomet" trägt.

"Chistera", ein traditionelles Ballspiel, hat im Volksleben eine große Rolle gespielt, wie auch der Volkstanz, dessen pittoreskes "Zalalzain"-Kostüm jede "Drag Queen" in den Schatten stellte - und der Tänzer war nicht einmal schwul! Mehr hätte er nicht gebraucht im erzkatholischen Baskenland!

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Beim Flanieren ist es schwer, voranzukommen - denn die zahlreichen Chocolatiers üben eine starke Gravitation aus. Ja, Schokolade aus Bayonne ist etwas ganz Besonderes. Wie ich überhaupt französische Schokolade für die Beste der Welt halte und ich nicht verstehe, wie das picksüße Zeug aus der Schweiz in diesen Ruf gekommen ist. Wirklich gute dunkle Schweizer Schokolade versucht wie Französische zu schmecken!

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Die höchste Reverenz in Bayonne freilich hat der Santiagopilger dem Heiligen Jakob zu erweisen, und den muß er erst einmal finden! War auch stets die Kathedrale eine wichtige Station auf der Wallfahrt, merkt man davon im noblen gotischen Kirchenbau nichts. Die Revolution hat allen Schmuck des Hauptportals in teuflischer Zerstörungswut vernichtet und auch im Innenraum finde ich keine Jakobuskapelle.

Den Geistlichen bitte ich um einen Stempel für mein Credidential, den Pilgerpaß, den ich in Santiago werde vorlegen müssen und frage ihn, ob er denn so gar keinen Santiago hat.

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Dann zeigt er ihn mir im Ensemble des letzten Glanzes des mittelalterlichen Skulpturenschmucks. Das Südportal, das in den Kreuzgang integriert mit vorgeblendeter Sakristei heute von eben dieser in den Dom führt und den normalen Gläubigen unzugänglich bleibt, haben die Satansjünger der neuen Gleichheitsreligion nicht gefunden.

Jetzt stehe ich in der heutigen Sakristei an der Stelle, wo sich die mittelalterlichen Santiagopilger zum Aufbruch sammelten und ich grüße den Apostel, der uns mit seiner Muschel hier als Pilger vorgestellt wird.

Drüben im Spanischen werde ich ihn bald als "Matamoros" antreffen.

Beide braucht‘s!

07.05.2024

Tag 11 | Reservetag; Bayonne - Lourdes - Bayonne per Eisenbahn; Spaziergang 12 km

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Zweimal war ich in meiner Jugend in Lourdes und habe kaum Erinnerungen daran. Der Gnadenort in den Pyrenäen ist auch so abgelegen, daß man einen Besuch auch nicht mit anderen Reisen verbinden kann. Er erheischt eine eigene Wallfahrt. Von Bayonne freilich, wo man ja auch nicht so leicht vorbeikommt, ist es mit der Bahn nur ein Abstecher von rund eineinhalb Stunden in eine Richtung und ich habe ja zusätzlich zu den Ruhetagen noch einen Reservetag! Kurzentschlossen nutze ich ihn zur Bahnwallfahrt in einen der bedeutendsten Gnadenorte der katholischen Christenheit.

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Anno 1858 hatte das halb analphabetische 14jährige Mädchen Bernadette Soubirous in der Grotte Massabielle achtzehn Mal die Erscheinung einer jungen Dame in weißem Kleid mit blauem Gürtel und goldenen Rosen an den bloßen Füßen. Schon nach den ersten Erscheinungen erregte das Mädchen mit seinen Erzählungen große Aufmerksamkeit, sodaß ihm zahlreiche Neugierige zur Grotte folgten und die Behörden Bernadette einer strenger Befragung unterzogen.

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Daß sie den kirchlichen Behörden sagte, die Dame hätte sich als "unbefeckte Empfängnis" zu erkennen gegeben, gab den Ausschlag, daß Rom die Erscheinungen als Bestätigung des zwei Jahre zuvor verkündeten Dogmas anerkannte. Denn dieses schlichte Kind vom Lande konnte keine Ahnung von der Komplexität und Kühnheit dieses Begriffes haben.

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Im Gegensatz zu La Salette und Fatima gab es zu Lourdes keine großen Prophezeiungen, nur immer wieder den Aufruf zur Buße, der im Grunde auch bei allen anderen Erscheinungen im Mittelpunkt steht. Auf himmlischen Zuruf hat Bernadette in der Grotte eine Quelle geschlagen, die noch heute sprudelt und der tausende Wunderheilungen zugeschrieben werden. Soweit die Historie.

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Wallfahrtsorte aus dem späten 19. und 20. Jahrhundert haben zunächst das Unglück, daß in ihrer Zeit kirchliche Kunst bereits im Niedergang begriffen ist und man um gutes Geld solide Sakrakarchitektur kaufen kann, der aber jeder genialischer Funke fehlt. Es ist kein Zufall, daß eine der wenigen Kirchen dieser Zeit, wo Meisterschaft und Ingenium aufblitzen, die Kirche eines Irrenhauses ist, die am Steinhof zu Wien (siehe Bilder unten).

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Somit ist der Baubestand der Jahre bis zum Konzil künstlerisch uninteressant, und von den geistigen Verwirrungen danach will ich schweigen. Die unterirdische Basilika für 25.000 Menschen, die in frecher Anmaßung dem Hl. Pius X. geweiht ist, habe ich mir gar nicht anzusehen angetan.

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Die Kitsch- und Devotionalienläden scheinen mir noch scheußlicher als anderswo und insgesamt ist der ganze Ort häßlich.

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Und doch weht da ein Geist echter Katholizität. Viel Klerus noch als solcher erkennbar auf den Straßen, Nonnen und Mönche im Habit, Priester in Soutane und römischem Hut und sogar Bischöfe, die ordentlich gekleidet sind. Einem Priester mit Capello Romano rufe ich aufmunternd zu, daß der Herr Franz in Rom das wohl nicht gerne sieht und der Angesproche lacht breit: "Non, pas du tout!".

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Das alles sind Äußerlichkeiten, gewiß! Aber wie Form und Inhalt zusammenfallen fühlt man endlich am Erscheinungsplatz, der uns unverändert das Bild des Jahres 1858 zeigt; nur in der Nische, wo Bernadette die Dame sah, steht deren Statue, die der Bildhauer Joseph-Hugues Fabisch genau nach Bernadettens Angaben fertigte.

Es nieselt und es ist kalt. Die Kniebänke vor der Grotte sind mit Betern gefüllt. Auch ich knie nieder und bete den Rosenkranz für meine Familie, die Freunde daheim und ganz besonders die Kranken.

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Mir ist nicht mehr kalt. Noch nie habe ich alle drei Rosenkränze unmittelbar hintereinander gebetet, noch dazu im Regen. Irgendetwas ist da, in Lourdes...!

06.05.2024

Tag 10 |  Capbreton - durch das Agglomerat - Bayonne; 20,1 km

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Morgens in hellem Sonnenschein vorbei an lieblichen Häuschen, entlang der Kanäle, durch wirkliche Wälder - ich bin im Baskenland!

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Hier wie an der ganzen Atlantikküste erfreut sich das Campen großer Beliebtheit. Der Campingwagen kann gar fast die Größe des Wohnhaus erreichen, was mich dann doch verblüfft, ebenso wie jener ausgesucht scheußliche Campingplatz zwischen Bahntrasse, Departementsstraße und Adour-Kanal, der sich bei näherem Hinsehen freilich als Dauersiedlungsplatz von Zigeunern entpuppt; ob ihn Sinti oder Roma bevölkern, kann ich nicht sagen.

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Der mächtige Fluß Adour hat seit der Antike mehrmals seinen Lauf geändert und mündete einmal nördlich von Capbreton ins Meer. Als Bayonne zu versanden drohte, ließ König Karl IX. ihn in sein heutiges Bett umleiten - Zeugnis des segensreichen Wirkens dieses Königs, der durch die Batholomäusnacht zu Unrecht ins Gerede gekommen ist. Dabei mußte das tatsächliche Ausmaß jenes Happenings zu Paris jeden hardcore Katholiken enttäuschen, wie Leon Bloy in seiner "Auslegung der Gemeinplätze" beklagt.

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Die Adour ist heute bei Bayonne ein mächtiger Industustriekanal und der Einzug in die Stadt an seinem Ufer kein Sonntagsspaziergang. Doch Städte müssen nun einmal leben, vom Handel und Wandel; und der Wandel bringt sie dann auch, die Neufranzosen, die das Bild so bunt machen.

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Am Tor zur Altstadt ist ihm ein mächtiges Denkmal gesetzt, dem Kardinal Lavigerie, geboren zu Bayonne 1825, gestorben in Algerien 1892. Er gründete den Orden der Weißen Väter - dem später Erzbischof Levebvre vorstand - für die Mission in Afrika, wohl um den Menschen dort vor Ort das Himmelreich zu erschließen. Viele dieser Menschen sind nun da, rechtgläubigen Katholizismus wiederum findet man heute eher in Afrika als hierzulande.

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Sonst trumpft Bayonne mit allerlei Köstlichkeiten auf. Die "Dunes Blanches" haben es mir besonders angetan, doch auch sonst ist die Patisserie hier vom Feinsten.

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Am Abend gibt‘s "Cocotte de Boef", ein heißes Schmorgericht, denn es ist kalt. Dazu schwerer Regen - ich bin am Atlantik.

05.05.2024

Tag 9 | Léon - Moliets er Maâ - Vieux Boucan les Bains - Plage des Casernes - Le Penon - Soorts -Hossegor - Capbreton; 31,7 km

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Nieselregen und erstmals seit Beginn der Wallfahrt leicht hügeliges Gelände, oder besser Bodenwellen.

Der Pilger hat ohnehin schon wegen des Gewichtes wenig Besitz, der ist aber umso wichtiger und Verluste wiegen schwer. Im Nieselregen habe ich meine beschlagene Brille am Außenriemen des Rucksacks befestigt, wie ich das immer tue - jetzt ist sie allerdings weg. Mir bleibt die Sonnenbrille, in einem Land ohne Sonne. Ceterum censeo: Ich bin kein Atlantiker. Vielleicht kann ich bei meinem längeren Aufenthalt in Bayonne eine Notbrille organisieren, ansonsten sehe ich die Welt eben mit den Augen der Impressionisten, scharf jedoch nur im hellen Sonnenschein.

Überreicher Trost wird bald darauf dem desperaten Pilger geschenkt, in Vieux Boucan les Bains, im "Les Têtes d‘Ail": la meilleure table du pelegrinage - ohne Empfehlung, ein Zufallsfund, und ohne Zweifel einen Michelin-Stern wert! Das Doradentartare mit Avocadoschaum bleibt in Erinnerung.

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Unbebrillt dem Meere zu, endlich führt der Pilgerweg über die Dünen und nun habe ich das, was der theure Konrad Markward Weiß sich eigentlich für den ganzen Marsch erhofft hatte: Kilometer an endlosem Sandstrand. Das Bild ist atemberaubend und sowieso impressionistisch! Farben, Brandung, würzige Seeluft - ein Gesamtkunstwerk von packender Kraft!

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Sehr beglückend anzusehen, jedoch sehr mühsam zu durchschreiten. Gewiß, mit bloßem Fuß im lockeren Flanierschritt ein reines Vergnügen, nicht aber mit schwerem Bergschuh und einem 20-Kilo-Rucksack.

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An der Wasserlinie ist der Sand hart, und doch sinke ich ein bis zwei Zentimeter tief ein, manchmal aber auch tiefer, und manchmal muß ich vor überraschenden Wellen zurückweichen; manchmal kommen diese so schnell, daß das Schuhwerk schlußendlich doch naß ist.

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8 km könnte ich hier bis zum Ziel geradeaus voranschreiten und die vom ewigen Regen reingewaschene Luft läßt mich die Berge der spanischen Küste erblicken, rund 50 km weit entfernt.

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Nach einem Kilometer aber gebe ich auf und kämpfe mich über die Dünen zurück auf die Straße. Dort grüßen die Bettenburgen, ganz so, wie ich sie auch aus dem Zillertal kenne - und genau wie im Zillertal gibt es garantiert keinen Meerblick. Die Avenue du front de mer führt zwischen Hotelkomplexen und ebenso hohen Dünen hindurch.

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Dann kommen moderne Häuschen von Zweitwohnsitzlern, aber geschmackvoller als im Zillertal!

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Die saisonale Gastronomie öffnet erst nächste Woche, doch in einer Bar wird schon aufgeräumt und ich bitte um Wasser. Der Patron - Sportsman, Surfschulenbesitzer und sehr heutig - bewirtet den Pilger mit Liebenswürdigkeit und bittet um sein Gebet. Ich bin erstaunt. Wir setzen uns zusammen, rauchen und plaudern. Nie zuvor haben wir einander gesehen und doch ist da eine Verbindung. Er spricht zu mir von der Coronahysterie, vom Skandal des soeben von den Mächtigen unterschriebenen WHO-Vertrages, dem Irrsinn des Ukrainekrieges und dem Genozid in Gaza, der aufsteigenden elektronischen Diktatur und der Ohnmacht des Volkes. Ich höre zu, stimme zu und bin abermals erstaunt: Wie gelingt all das den Mächtigen, obwohl es dem Volk nun reicht? "Smart Management", so glaube ich, nennt man das...

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Die Luft ist von schwerem Jasminduft geschwängert und sinnend über das Erlebte klopfe ich die letzten paar Kilometer herunter. 

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Ich komme nun durch schicke Villenviertel und das belebte Zentrum Hossegors, das ein bißchen auf "Grand Boulevard de Paris" macht.

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In Capbreton mein Pilgerbier, und dann die köstliche, schwere und fette französische Fischsuppe. Die braucht‘s, am windigen Atlantik!

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Großartiger Typ; mein Gesprächspartner

04.05.2024

Tag 8 | Mimizan - Bias - Saint Julien en Borne - Lit et Mixe - Saint Girons - Vieille - Léon; 40,3 km

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Gott ist gut, der Pilger dankt! Tadelloses Pilgerwetter, morgens etwas frisch bei 8°, bewölkt und gelegentlich Sonne, nachmittags dann bis zu 17°. Damen, die meinen Weg begleiteten, geißelten mich stets als weibisch, was das Wetter anlangt. Sie mögen Recht haben, ich mag den Regen nun einmal nicht leiden. Ich bin kein Atlantiker!

Heute wettermäßig kein Grund zur Klage, dazu noch gute Infrastruktur in den Ortschaften. In Lit et Mixe sehe ich aus der Ferne einen bemerkenswerten Kirchturm mit Unserer Lieben Frau von Lourdes - von hier aus ist Lourdes nicht mehr sehr weit. Sie ruft mich wohl zu einem Besuch...

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Landschaftlich im Westen nichts Neues: Holzplantagen; ich bleibe auf der Straße, die mir mindestens 8 km Umweg durch die Insektennester erspart. Ein überaus freundlicher alter Herr will mich auf den Pilgerweg zwingen und hält seinen Wagen, um mich buchstäblich an der Hand auf den rechten Weg zu führen. Ich lehne dankend doch bestimmt ab, was ihn erzürnt: "Vous voulez vous tuer", "Sie wollen sich wohl umbringen", ruft er mir beim Wegfahren zu und spuckt aus. Pas encore !

Hübsche Fachwerkhäuser am Weg und ich frage mich, wann die Fachwerkhäuser in Österreich eigentlich verschwunden sind. Am Schottenaltar auf der ältesten Stadtansicht Wiens sieht man sie noch und in der Oberstadt von Bregenz haben sich ein paar erhalten; sonst ist meine Heimat eine der wenigen Regionen Europas ohne diese attraktiven frühen Fertigteilhäuser.

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Alle Orte am Weg anmutig mit lockender Kulinarik; der Verkostung des Tariquets zu widerstehen - eines trockenen lokalen Weißweins, den mir der theure Konrad Markward Weiß erstmals vorgestellt hat - zwingen mich die 20 km, die noch vor mir liegen.

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Sonst spielen alte weiße Männer mit schönen alten Autos, konkret schrauben zwei Mann an einer Citroën-Ente, dem berühmten 2Cv, dem erfolgreichsten Modell der französischen Automobilindistrie, von 1949 bis 1990 fast 4 Millionen mal gebaut. Nur die Gemeischaftsproduktion von Ferdinand Porsche mit dem sonst als Autodesigner nicht weiter in Erscheinung getretenen Adolf Hitler konnte als VW-Käfer, produziert von 1938 bis 2003, diesen Rekord schlagen.

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Ein Missionskreuz am Weg erinnert an die einst auch bei uns gebräuchliche Übung, die geistliche Formation der Ortschaft auf Vordermann zu bringen. Da kamen meistens zwei Kapuziner von auswärts, blieben ein bis zwei Wochen, predigten den Kathechismus und nahmen am Ende ihres Aufenthaltes die Beichte ab; sehr hilfreich, wenn man den Ortspfarrer zu gut kannte; gewissermaßen Exerzitien für die Dorfgemeinschaft. In Vieille geschah dies 1939; müßig zu erwähnen, daß der Brauch seit dem Konzil völlig abgekommen ist.

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Auch Léon macht einen guten Eindruck, und auf die französische Küche ist immer Verlaß.

Wenn es jetzt noch wärmer werden sollte, geht es dem Pilger wie Gott in Frankreich!

03.05.2024

7. Tag; Parentis-en-Born - Pontenx-les-Forges - Saint Paul en Born - Mimizan; 25,3 km

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Sonnenschein; Nieselregen; kurze kräftige Güsse mit Hagel; Sonnenschein;
dazu stets ein scharfer Wind. Ich werde nie Atlantiker !

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Ab Mittag bloß Sonne und Wolken; immer kalter Wind.

Marsch durch die Holzplantage an der Départementsstraße, da weiche ich den Insekten aus.
Ein Waldspaziergang wär’ das ohnehin keiner geworden, da die konsequente
und segensreiche Aufforstung durch Napoleon III. rationale Baumreihen gezogen hat,
Kilometer um Kilometer. So entstand die größte zusammenhängende
Forstfläche Westeuropas; aber Wald ist das keiner.

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Schnurgerade 15 km bis Pontenx-les-Forges. Die Forges, die Schmieden,
gibt es längst nicht mehr, ebensowenig wie die Porzellanproduktion.
Beide gingen auf das dynamische Wirken des Grafen von Rollye zurück.
Dessen Schloß findet ich ebensowenig wie ein geöffnetes Speiselokal.
Auf den Stufen des Bureau Tabac verzehre ich die letzten Reste der
charcuterie und trinke einen Kaffee aus dem Pappbecher, den man hier bekommt.

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Vor der Kirche - die sogar offen und bewohnt, aber ohne größere Reize ist -
wohl Fragmente eines Kreuzganges aus dem 13. Jh., im Weltnetz kann ich
nichts darüber finden. Sehr hübsche Kapitelle.

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Vorbei an Landhäusern von gestern und heute - der Vergleich macht uns sicher.

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Die dürre Infrastruktur der Landes bringt mir heute eine kurze Etappe ein, nur 25 km.
Am See von Aurelhian nächst Mimizan finde ich ausgezeichnete Unterkunft mit exquisiter Küche -
nach zwei Tagen ist eine warme Mahlzeit doch recht angenehm.

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Die Leichtigkeit des Pilgerlebens will noch nicht so recht aufkommen,
vielleicht der ewigen Kälte und der dürren Infrastruktur geschuldet.

Dies hat aber auch Vorteile. Seit Royan ist mir kein einziger Exot begegnet.
Die sind nämlich auch nicht blöd und besiedeln keine unterentwickelten Gebiete
wo sie doch selbst aus unterentwickelten Gemarkungen kommen.

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Kinder sieht man auch kaum. Ich bin im Rückzugsgebiet des alten weißen Mannes!

02.05.2024

6.⁠ ⁠Tag; Arcachon - La-Teste-de-Buch - Sanguinet - Parentis-en-Borne; 42,5km

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Wetter wie erwartet: 8 -12 Grad bei dauerndem Nieselregen; die Versuchungen lauern am Beginn des Tages: die ersten 1 -2 Stunden führt der Weg an Austernbecken, Austernbars, Weindegoustationen und erlesenen Pâtisserien vorbei; doch alles noch viel zu früh am Tage. ‘ Ich wendete mich nicht…’, denn heute ist es weit.

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Der Weg ist weder vom Gelände noch von der Routenplanung anspruchsvoll. Nach der Agglomeration von Arcachon geht es nur mehr kerzengerade auf der Departements Straße nach Süden, 42km lang. Dazu die Nässe , die nach einigen Stunden auch die beste Funktionskleidung durchdringt.

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Sanguinet erreiche ich kurz vor 15:00. Pech gehabt, denn in Frankreich sperren die Küchen dogmatisch um 14:00!

Gnaden halber richtet man mir ‘Charcuterie’ , die übliche Bretteljause , die in Italien Tagliera heißt und irgendwie immer das Gleiche ist. Die Cornichons, die kleinen französischen sauren Gürkchen sind hierzulande herausragend, dafür ist der Schinken herausragend schlecht.

Mein Hauptinteresse ist sowieso nur irgendwie mein Zeug ein wenig zu trocknen, besonders das Mobiltelefon, von dessen Funktionieren ich abhängig bin. Nach einer Stunde weiter , stumpf und stur durch die französische Agrarindustrie und die Kiefernwälder.
Ich bin in der Landes eingetroffen.

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Irgendwann hilft dann nur noch die Geheimwaffe des Rosenkranzes, des’ Maschinengewehrs Gottes’ , wie ihn Pater Wallner aus Heiligenkreuz nennt.

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In Parentis en Borne treffe ich vòllig durchnäßt kurz vor 20:00 ein. Allein auf meiner Landkarte erkenne ich 8 Gastwirtschaften in dem kleinen Ort , die aber alle geschlossen haben, weil 1. Mai ist. Ich habe diesen Tag nie gemocht.

Sei’s drum! ‘Wenn Fasten dann fasten, wenn Rebhuhn dann Rebhuhn!’ sagte die Hl. Teresa von Avila. Gut, gestern hatte ich Rebhuhn bzw. Austern, so hole ich heute das Fasten nach.

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Flüssiges Brot konnte ich immerhin organisieren!

01.05.2024

Tag 5 | Ruhetag: Arès - Andernos-les-Bains - Arcachon; 8,4 km

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Ein Ruhetag; mein Pilgerbruder und treuer Freund kämpft am Morgen mit mir die letzten 3 km am Strandweg herunter; immerhin, er bekommt was er ersehnte: la balade au bord de la mer!

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Dann endlich Schifferlfahren - 50 min für ca. 10 km, das Bassin d’Arcachon querend; Touristenschiff mit neu eingespritztem Ursprungsfranzosen als Kapitän. Er trägt in frecher Aneignung schmucke Rastalocken, gibt aber sachdienliche Hinwiese, unter anderem, daß Kaiserin Eugenie, die Gemahlin von Napoleon III., ...

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... hier ihre eigenen Austernbänke nebst allerhöchsten Austernwächtern unterhalten hat; und dass die Boote für das Bassin d' Arcachon speziell gebaut sind, da der Meeresgrund hier oft nur 30 cm unter dem Kiel liegt. Geographisch eine Extravaganz des lieben Gottes - eine enorme Bucht, die nur bei Flut befahrbar ist.

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In Arcachon verweigere ich meinem Freund die Option zum Hypertourismus: Die höchsten Düne Europas (120 m) will ich nicht besteigen, und ebensowenig den Villenschönheiten jüdischen Geldes im Dekorum des 19. Jh. nachforschen.

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Ich will jetzt nämlich zu Mittag essen, und das ohnehin spät! Als Mahl begann’s, und ist ein Fest geworden, am Hafen! Und mein theurer Pilgerbruder erfreut sich noch an einem letzten Naturwunder vor Seiner Abreise : dem Apfelarsch der Kellnerin.

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Viel' Austern jedenfalls, und sehr viel Bordeaux, und dann reichlich Rosé; und zum Abschluss ein klassischer Trunk der Kolonialfranzosen in deren weitem und heißem Kolonialreich: Cognac-Perrier, auf Eis!

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Mein Freund verläßt mich nun, und mir graut vor morgen: an die 40 km und vermutlich Dauerregen.

Ein Trost bleibt: Von Bordeaux bis Bayonne, ja, an der ganzen südlichen Atlantikküste, verregnet’s den Genossen den Maiaufmarsch!

30.04.2024

Tag 4 | Moutchic - entlang dem Etang de Lacanau - Lège-Cap-Ferret - Arès; 32,3 km

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Mein hoher Schriftleiter und theurer Pilgerbruder Konrad Markward Weiß ist vom See derart bezaubert, daß er hier mehr Zeit verbringen und also später mit einem Kraftwagen zum Zielpunkt nachkommen möchte. Er hat gut daran getan, denn was mir dann begegnete, hätte ihm wohl nicht gefallen.

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Die Schauwerte des Tages beschränken sich auf die lieblichen Gestade des Steppensees, der nur rund 7 m tief ist und and den Neusiedlersee erinnert; freilich ohne jede Infrastruktur. Den ganzen Tag über berühre ich keine Ortschaft, ernähre mich von den kümmerlichen Resten des Frühstücks und halte mit meiner Wasserflasche Haus.

Nach hübscher Eröffnung am See bricht der eingezeichnete Weg unvermutet ab. Er ist großflächigem Kahlschlag zum Opfer gefallen; die Baumwurzeln sind nach oben gekehrt und ich navigiere zwischen Erdtrichtern und Totholz.

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Deo gratias hat Putin in Westeuropa das GPS-Signal noch nicht lahmgelegt und so kann ich die Richtung halten.

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Kurze Rasten sind nicht möglich, da ich schon beim Gehen von den gefürchteten Mouches de Pin, einer lokalen Art höchst aggressiver Bremsen, aufgefressen werde. Ich habe die Mistviecher noch von meinem letztjährigen Marsch durch die Landes in ungünstiger Erinnerung.

Diesen Abschnitt hinter mir, stelle ich mich auf einen ruhigen Weg entlang eines Kanals ein, der allerdings bald durch einen nicht verzeichneten Wasserlauf unterbrochen wird. So lege ich Schuhe und Strümpfe ab, um durchzuwaten und vermute eine Wassertiefe bis zu meinen Waden. Der Untergrund jedoch ist elender Treibsand und ich sinke bis über die Hüften ein, dann schaffe ich es durchnäßt heraus.

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Beim Ankleiden molestieren wieder die Insekten und in die Fußsohle ziehe ich mir einen Dorn ein.

Nichts ist bei Pilgermärschen enervierender als entäuschte Hoffnungen. Meine Landkarte interpretiere ich so, daß nun ein schnurgerades Straßenstück folgt. Tatsächlich handelt es sich aber eine Stromleitung mit einem Sandzufahrtsweg darunter; und der feine weiße Sand ist knöcheltief.

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Durch Schnee zu stapfen ist mühsam, durch Sand zu stapfen weit mehr; und überall in der Kleidung, den Ohren und dem Mund ist bald ebenfalls Sand. Die 6 oder 7 km auf diesem Abschnitt gehören zu den Mühsamsten, die ich je passiert habe; und es dauert!

So hab’ ich mich kaum je zuvor derart über Asphalt unter meinem Bergschuh gefreut.

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Lège-Cap-Ferret umgehe ich und treffe naß und erschöpft um 19:30 in Arès ein. Morgen wird Schifferl gefahren - denn Wasserfahrzeuge sind dem Pilger erlaubt!

29.04.2024

Tag 3 | Hourtin Bourg - Carcans - Moutchic am Étang de Lacanau; 27,8 km

Der Tag beginnt mit einer Überraschung: Die Sonne scheint und in Hourtin gibt es eine Sonntagsmesse : neuer Ritus, keine Exzesse und Extravaganzen; überaltertes Publikum in Orantenhaltung. Danach vor der Kirche Austerndegustation - der hiesige Würstelstand; beides probiert, kein Vergleich!

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Ansonsten im Westen nichts Neues: 12 km schnurgradaus bis zum Mittagessen in Carcans.

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Der Ort war einst prominent am Jakobspilgerweg und hatte dafür eine eigene Bruderschaft. Die Kirche finden wir mittags geschlossen, sie soll eine barocke Statue Santiagos bewahren.

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Sonntag ist, und das Dejeuner fällt in der ausgezeichneten Brasserie üppiger aus als sonst, was sich am weiteren Weg freilich durch Müdigkeit rächen wird. Zickzack durch die Pinienwälder von nun an bis zum Abendessen. Gelegentlich hübsche Moorlandschaft und stets tief versandete Wege.

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Die beiden Sehenswürdigkeiten des Tages sind ein klassischer Wachturm, der wohl dem Brandschutz dient , aber auch in einen Straflager gute Figur machte und ein als Monumentalkiefer behübschter Sendeturm , das Dekor in wetterbeständigem Plastik gehalten.

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Die Weinlagen des Medoc sind weit, wir wandern durch Moore, Wälder und Seenlandschaft.

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Am Teich von Lacanau schließt der Tag wie er begonnen hat: mit Austern, dazu agreabler trockener Weißwein aus dem Bordeaux. Der fromme Schriftleiter und theure Weggefährte höhnt dafür den "prallen Pilger". Er hat keine Ahnung!

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28.04.2024

Tag 2 | Montalivet - Le Pin Sec - Hourtin Plage - Contaut - Hourtin Bourg 31,6 km

Auch morgens keine Nudisten in Montalivet; es bleibt kalt und nieselt; Morgenmarsch durch den Pinienhain, zunächst ohne Regen, 300 - 400 m neben dem Meer, das hinter Wald und Dünen für uns unsichtbar bleibt. Wir hören die Brandung und stapfen recht mühsam durch den Sand.

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Endlich gilt es eine Düne zu erklimmen und der Blick weitet sich auf den Ozean. Der Atlantikwall der Deutschen Wehrmacht steht noch immer. Zu solide sind die Betonbunker, als daß Wind, Wetter und politische Widrigkeiten sie wegräumen hätten können. Beschmieren kann man sie immerhin und so urbanes heutiges Flair herbeizaubern.

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Am Atlantikwall

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Das Herz meines halbfranzösischen Freundes lacht trotz aller Unbill des Wetters. Er schwärmt von unendlichen Sandstränden, raffinierter Vielfalt der Farben des Wassers, wilder Brandung und schier unendlicher Weite. Endlich kann er auch über den Strand wandern und die würzige jodierte Luft im einsetzenden Nieselregen genießen. Ich bevorzuge das Mare Nostrum, die vertraute mittelmeerische Badewanne mit kleinen Buchten, lieblichen Fischerhäfen und einladenden Strandbars.

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Ich war nie ein Atlantiker, vielleicht weil die oft im Regen stehen. Im "Le Pin Sec" - "Zur trockenen Kiefer" - finden wir Möglichkeit zu einem frugalen Inbiß; im Freien, ohne Flugdach, in Wind und Regen. Hier ist nichts "sec"! Ich bewundere eine atlantische Familie, die unter dem Regenschirm stoisch in sich hineinlöffelt. Ich war nie ein Atlantiker.

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Wir finden einen Unterterschlupf und warten das ärgste Unwetter ab. Endlich klärt es ein wenig auf, dann zeigt sich gar die Sonne.

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Munter weiter auf der Départementsstraße nach Hourtin Bourg, ein Umweg, der aus Quartiergründen notwendig war. Das einzige Hotel weit und breit hat sein Speiselokal am Samstag Abend geschlossen, uns aber allerlei Kaltes gerichtet. Hunger ist der beste Koch.

Die Flasche Rotwein tröstet jedenfalls.

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Durch das Moor

27.04.2024

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Tag 1 | 32,8km Royan - le Verdon - Soulac sur Mer - Montalivet

Mein Schriftleiter beim ‚Eckart‘ , Verleger und theurer Freund Konrad Weiß wird mich die ersten Tage begleiten.
Seit Vorgestern habe ich mich mit ihm auf das Land seiner mütterlichen Familie eingestimmt, die Charente Maritime; wir haben die Cognac Destillerie seines Cousins in Breville besucht und diesem Brande heftig zugesprochen, Maremmes, die Welthaupstadt der Austern gesehen und dort gleichfalls herzlich zugelangt - jetzt aber los!

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Unser Ausgangspunkt Royan , einst chicer Ferienort an der Atlantik Küste wurde von den Alliierten in die Moderne gebombt und besticht aus der Ferne mit dem Betonmonstrum seiner Pfarrkirche. Von weitem bestimmt es die Silhouette des Ortes und zitiert den Bug eines Schiffes in diesem maritimen Ambiente; innen meine ich im Thronsaal Satans zu stehen.

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Noch lange können wir dieses Statement der Moderne schauen, da wir das Schiff über die Gironde, die hier das größte Mündungsbecken Europas ausbildet, ins Medoc nehmen.

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Nicht viel los hier im Medoc; der Wein wächst weiter im Süden; hier Dünen und Pinienwälder. Wir wandern entlang der Atlantikküste und sehen gerademal das Meer, wenn wir eine Düne besteigen; sonst gleichförmig grüne Alleen.

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In Soulac , einem lieblichen Küstenort , zu opulenter Mittagstisch - wir sind in Frankreich. Sei’s drum, es ist kalt, mal regnet es, dann wieder nicht, und immer bläst eine steife Meeresbrise.

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Die Alliierten haben hier vergessen zu bombardieren, also haben sich die schmucken Villen erhalten, oft recht klein, gewissermaßen avancierte Reihenhäuser aus der Epoche der Schönheit.

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Die waren auch die ästhetischen Höhepunkte des Tages. Im Nieselregen durch Pinienheine.

Montalivet ist angeblichen das Zentrum der Freikörperkultur am Atlantik. Auch diesbezüglich nicht viel los. Es ist kalt.


07:57 | Leser-Kommentar
Dem Pilgerer die Besten Wünsche für den langen Marsch. Das Wort Partisanen habe ich lieber weggelassen.
Das da nichts durcheinander kommt.

26.04.2024

11:41 | b.com: Es geht wieder los

Wie schon 2023 dürfen wir auch heuer wieder den Partisanen der Schönheit auf seiner Pilgerreise begleiten. Jeweils um einen Tag zeitversetzt werden wir seine Beiträge und Bildstrecken auf bachheimer.com bringen, damit wir an seinen Gedanken, Erkenntnissen teilhaben können und kosten-, blasen- und schmerzfrei das Erleben eines Pilgers in etwa nachvollziehen können. Heuer geht es von Royan (Frankreich) in 40 Etappen über 1.100 km nach Santiago de Compostella (siehe Karte unten). Wir wünschen dem Partisanen aber auch unseren Lesern "Buen Camino"!  TB

Zur Einstimmung empfehle ich unser Kamingespräch, welches wir nach seiner Rückkehr im vorigen Jahr geführt haben Bachheimer&Goldvorsorge: Ein Galahemd auf Pilgerreise

Wer noch Erinnerungen vom vorigen Jahr aktivieren möchte, der möge diese Rubrik (neudeutsch) klicken: Der Partisan der Schönheit auf Pilgermarsch

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