Das muß man dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Willy Brandt lassen. In seinem politischen Leben hat er Deutschland zwei Eckpfeiler hinterlassen, an denen Deutschland in Zukunft gemessen werden wird, auch wenn die Verhältnisse immer schwerer werden, sich daran zu erinnern oder gar politische Konsequenzen zu ziehen. „Mehr Demokratie wagen“ so lautete der innenpolitische „Meistersatz“. In einer Zeit, in der die politischen und medialen Blockwarte unterwegs und die rechtsstaatlichen Strukturen Deutschlands unter die groß-und kleinkoalitionäre Abrißbirne geraten sind, fällt es zunehmend schwer, sich zu diesem „Leitstern-Satz“ zu bekennen. Die Faschisten machen sich mit staatseigener Unterstützung und mit gewaltigen Finanzmitteln wieder breit, um unter dem vorgeblichen Deckmantel des „Anti-Faschismus“ die freiheitlichen Strukturen des Staates einzureißen. Die Globalisten, die in den letzten Jahrzehnten die politische Macht über noch freie Wahlen an sich gerissen haben, werden diese Macht nicht mehr hergeben. Die Art und Weise, wie in Frankfurt die Wahlen zum künftigen Landtag ausgezählt und „geschätzt“ worden sind, macht diesen Weg deutlich. Es fehlt nur noch, die Gedanken aus den letzten zehn Jahren aufzugreifen und amerikanische Wahlautomaten für deutsche Wahlen anzuschaffen.
Dann kann man gleich bei bestimmten Agencies vorher anrufen, was bei einer Wahl rauskommen dürfte. Bei der politischen Entwicklung, die Deutschland nimmt, dürfte der Name „Willy Brandt“ demnächst nur noch geflüstert und in Untergrundkapellen ausgesprochen werden.
Das politische Vermächtnis von Willy Brandt weist aber noch ein anderes und dabei außenpolitisches Leuchtfeuer auf. „Wandel durch Annäherung“ lauteten die verheißungsvollen Überlegungen seit Ende der fünfziger Jahre, vorgedacht im geteilten Berlin, mit der durch den Zweiten Weltkrieg geschaffenen Lage fertig zu werden. Der Gedanke hatte Erfolg und das aus zwei Gründen. Unbeschadet einer zugrundeliegenden Bewertung der Ausgangslage führte dieses Gedankenkonzept zum Ende des Kalten Krieges und zur Wiedervereinigung Deutschlands, weil durch Helmut Schmidt und Helmut Kohl ihrerseits konsequent Folgeentscheidungen getroffen werden konnte, die im Lichte des gesamten weltpolitischen Entwicklung gesehen werden müssen. Die Umstände, die letztlich zu diesem Ergebnis führten, müssen allerdings auch vor dem Hintergrund der frühzeitigen Überlegungen gesehen werden, die mit dem Namen des damaligen polnischen Außenministers Rapazcki ebenso verbunden sind wie mit dem Namen von Josef Stalin oder der grundsätzlichen russischen Haltung zu Europa seit dem „Wiener Kongreß“. Die Konsequenz aus „Napoleon, Hitler und dem britischen Interventionstruppen-Befehlshaber in Rußland in Zusammenhang mit der bolschewistischen Oktober-Revolution, General Ironside“ dürften getrost als das übergreifende Motiv Moskauer Politik angesehen werden.
Es war aber gerade das Ende des Kalten Krieges, das für die Vereinigten Staaten eine existentielle Gefahr heraufbeschwören sollte. Zweimal hatten sie in europäische Kriege eingegriffen, um die Kontrolle über die atlantische Gegenküste nicht gefährdet zu sehen. Auf Versailles 1919 und die damit verbundene Zündschnur für den nächsten europäischen Krieg hatten sie genügend Einfluß genommen, um ihre Überlegungen zu Deutschland und Rußland umsetzen zu können. Jetzt soll am Ende des Kalten Krieges die NATO in Europa nicht mehr die angemaßte Rolle spielen? Die Charta von Paris aus dem November 1990 ächtete den europäischen Krieg? Die Europäische Gemeinschaft sollte und wollte in voller Verantwortung für die europäische Geschichte die Beziehungen zwischen der deutschen Ostgrenze und der sowjetischen Westgrenze in eine gedeihliche Zukunft führen. Gorbatschows „Gemeinsames Haus Europa“. schien greifbar nahe zu sein. Damals war mit dem bis heute unerklärlichen Abgang von Hans-Dietrich Genscher als deutscher Außenminister schon klar, daß Europa die Rechnung ohne die amerikanischen Interessen gemacht hatte.
Nach dem Amtswechsel spielte die Europäische Gemeinschaft keine Rolle mehr, Teile der Bundesregierung sprachen fortan von der „Osterweiterung der NATO“. Seither und vor allem seit der Zerstörung des Völkerrechts durch den Krieg 1999 gegen Belgrad dominiert das amerikanische Interesse unsere Beziehungen nicht mit sondern gegen Rußland. Deutsche Panzer in den Vorgärten von St. Petersburg, eine Rhetorik gegen Rußland, die Josef Goebbels vor Neid erblassen lassen würde, so sieht die NATO-Wirklichkeit in Europa aus. „Wandel durch Annäherung“ ist faktisch nicht mehr möglich, weil das in der Zielsetzung der Washingtoner Strategen die Selbstaufgabe Rußlands zur Folge haben würde. Die mögliche und vorwandgetriebene Kündigung des INF-Vertrages ist vor Kriegsausbruch der letzte Schlußstein in der Mauer gegen Rußland. Willy Brandt dachte an das Verbindende.
Willy Wimmer, 4. Dezember 2018