Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts

Eine Gesamtdarstellung aus Anlaß des Artikels von John JAMES, Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts und die Aushöhlung der repräsentativen Demokratie, in : Hanno VOLLENWEIDER (Hrsg.), # wir sind noch mehr - Deutschland in Aufruhr, Mühlenbecker Land 2018, 164.

I. Einleitung

John JAMES stellt das EU-Grundprinzip des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts vor nationalem Recht grundsätzlich in Frage und kritisiert ausgehend von einem ausgeprägten angloamerikanischen Demokratieverständnis die seiner Meinung nach zu geringe Demokratisierung der Europäischen Union und dabei insbesondere die eingeschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten der gewählten Volksvertreter als Repräsentanten des Souveräns. Meines Erachtens kann die EU nur sinnvoll funktionieren, wenn das Prinzip des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts gilt. Die Thematik dieses Anwendungsvorrangs erscheint mir daher als Teil der Metaebene der EU, weil sie unmittelbar eine Grundbedingung für deren Existenz und Wirken betrifft. Die Kritik am geringen Demokratisierungsgrad der EU teile ich. Diese Thematik ist aber meiner Wertung nach gegenüber jener des Anwendungsvorrangs keine Frage nach dem Sinn der Existenz der EU, sondern nach deren Optimierung. Die Konsequenz der Kritik am geringen Demokratisierungsgrad müßte daher nicht die Abschaffung, sondern die Reform der EU sein.
Beide Themenstellungen kann man nur bei Berücksichtigung des größeren Gesamtzusammenhangs sinnvoll erörtern.

 

II. Die Funktionsweise der EU

A. Supranationaler Charakter und EU-Recht

Die EU ist eine supranationale Organisation. Das bedeutet, daß sie nicht nur ein klassischer völkerrechtlicher Vertrag ist, der jeweils von den vertragsschließenden Staaten im innerstaatlichen Recht umzusetzen ist, sondern eine eigenständige völkerrechtliche Organisation mit eigenen Rechtssetzungsinstanzen, eigenen Behörden und auch eigenen Gerichten. Das Gerichtssystem der EU besteht aus dem Gericht der EU, bzw. Europäischen Gericht - EuG [European Court - EC] und dem Europäischen Gerichtshof - EuGH [European Court of Justice - ECJ] sowie durch EU-Verordnung einzurichtenden Fachgerichten. Einziges Fachgericht ist derzeit das Gericht für den öffentlichen Dienst der EU.

Wichtig ist die Unterscheidung von EU-Recht einerseits und andererseits sonstigen zwischen EU-Staaten abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen. Letztere sind nicht EU-Recht. Zu letzteren gehört etwa der Schengen-Vertrag.

EU-Primärrecht wie insbesondere die EU-Verträge mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU - AEUV ist die Basis für das Agieren der Institutionen der EU. EU-Sekundärrecht wird von den Rechtssetzungsinstanzen der EU geschaffen.

Wesentliche Rechtssetzungsakte sind EU-Richtlinien und EU-Verordnungen. Die EU-Richtlinie ist ein Instrument der Rechtsvereinheitlichung. EU-Richtlinien binden die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung innerstaatlichen Rechts und legen entweder als Harmonisierung einen Mindeststandard fest (zB Verbraucherrichtlinie) oder geben als Vollharmonisierung zwingend den Inhalt eines innerstaatlichen Rechtsbereichs vor (zB Wettbewerbsrichtlinie über Lauterkeitsrecht). EU-Verordnungen gelten nach Maßgabe deren personellen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs unmittelbar in den Mitgliedstaaten für die Bürgerinnen und Bürger als Rechtsadressaten (zB GemeinschaftsmarkenVO oder die FluggastrechteVO).

B. Der EuGH

Der EuGH ist für die verbindliche Auslegung von EU-Recht zuständig. Man spricht vom Auslegungsmonopol des EuGH. Er entscheidet im Verfahren der Vorabentscheidung über ungeklärte Fragen der Auslegung von EU-Recht, wenn er von einem staatlichen Gericht in einem Verfahren, in dem eine solche Auslegung von EU-Recht entscheidungswesentlich ist, angerufen wird. Letztinstanzliche staatliche Gerichte (Höchstgerichte) sind in einem Verfahren dazu verpflichtet, bei einer Unklarheit von EU-Recht, das je nach Auslegung entscheidungswesentlich sein kann, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

Ansonsten ist der EuGH zuständig für Vertragsverletzungsverfahren, in denen gegen einen Mitgliedstaat ein Verstoß gegen EU-Recht geltend gemacht wird, entweder von der EU-Kommission mit Aufsichtsklage oder von einem anderen Mitgliedstaat mit Staatenklage, für Nichtigkeitsklagen, womit die Rechtskontrolle der Tätigkeit von EU-Organen und EU-Institutionen erfolgt, für Untätigkeitsklagen und für bestimmte Schadenersatzklagen.

C. Anwendungsvorrang und effet utile

Der Anwendungsvorrang von EU-Recht ist ein eminenter Grundsatz der EU. Das Prinzip der finalen Determinierung von Rechtsnormen der EU nach den Zielen der EU (effet utile) ist gerade bei abstrakterem EU-Recht, das die Mitgliedstaaten auf völkerrechtlicher Basis und oft mit schwierigen Kompromissen und damit einhergehenden Unklarheiten beschließen, besonders bedeutsam für die Auslegung dieser Normen.

 

III. Zur Grundausrichtung der EU

A. Rückbesinnung auf Grundsätzliches

Die EU sehe ich vom Grundsätzlichen her als gute Einrichtung an. Das Problem dürfte neben einem gewissen Politfunktionärsunwesen bestehen in der Proliferation deren Bürokratie und einer Verschwendung von Aufwand und Zeit für Nebensächliches. Ansonsten stellen sich Fragen so wie in der staatlichen Politik, etwa nach der wirtschaftlichen Grundausrichtung, ob man Interventionismus befürwortet oder ablehnt (vgl. Ludwig von MISES, Kritik des Interventionismus, Jena 1929), oder nach Ausmaß und Effizienz der Verwaltung.

Die spezifisch auf die EU bezogene Überlegung ist, in welchem Ausmaß eine Vereinigung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten erfolgen soll, und welche Bereiche die EU-erfassen soll.

Die Basisproblematik der EU besteht darin, daß die europäischen Staaten sich historisch sehr unterschiedlich entwickelt haben. Sie haben sehr unterschiedliche gesellschaftliche, technische, wirtschaftliche und rechtliche Eigenschaften. Die EU soll nach ihrem ursprünglichen Konzept eine Vereinheitlichung (Harmonisierung) herbeiführen. Dies mit der ursprünglichen Zielsetzung der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums. Dazu gekommen ist über die Grundfreiheit der Personenfreizügigkeit mit Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit eine starke Tendenz zur Harmonisierung gesellschaftlicher Bereiche.

B. Zum Sinn der Rechtsvereinheitlichung und der EU-Grundfreiheiten

Ein gewisses Ausmaß an Rechtsvereinheitlichung ist sinnvoll, insbesondere für den Handel. Die Rahmenbedingungen für ein ungehindertes Wirtschaften sind wichtig. Unterschiede in einzelnen Staaten bewirken Unübersichtlichkeit und Anpassungsaufwand und sind daher kostenintensive Handelshemmnisse. Die Geschichte hat gezeigt, daß die Rechtsharmonisierung daher vor allem über das Handelsrecht, das Markenrecht und über das Immaterialgüterrecht (Schutz von geistigem Eigentum) erfolgt, weil diese Rechtsbereiche für die Wirtschaft besonders wichtig sind, so daß dort ein besonderer Bedarf daran besteht, bei grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit keine allzu großen Unterschiede zu haben.

Die EU-Grundfreiheiten der Warenverkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit sind daher immanent zur Schaffung eines großen Binnenmarktes. Komplementär dazu soll die Personenfreizügigkeit einen großen Arbeitsmarkt schaffen und die grenzüberschreitende Unternehmertätigkeit ermöglichen.

C. Probleme und Verbesserung

Als Problem, das einem besseren Funktionieren des Binnenmarktes entgegensteht, erscheint mir hier das zu geringe Ausmaß an Harmonisierung. So mangelt es meines Erachtens an einer Harmonisierung der Abgaben- und Sozialversicherungssysteme. Die Eigenständigkeit der einzelnen EU-Staaten im Abgabenrecht führt zum Teil zu einem Wettbewerb bei der Ansiedelung von Unternehmern und Gesellschaften, bei dem mit Steueranreizen gelockt wird, was nichts mit Innovation und Wirtschaftsleistung zu tun hat und daher nicht sachgerecht ist. Der Unterschied bei den Umsatzsteuersätzen einzelner EU-Staaten führt zum absurden Ergebnis, daß für den Versandhandel strenge jährliche Kontingentierungen gelten, damit Unternehmer von Staaten mit höheren Umsatzsteuersätzen nicht zu sehr benachteiligt sind, was dem Prinzip des freien Marktes völlig entgegensteht.

In anderen Bereichen ist die Rechtsvereinheitlichung weniger wichtig oder gänzlich entbehrlich. Es bedarf einer Evaluierung, ob eine Kompetenz der EU überhaupt sinnvoll ist oder nicht. So ist generell das Ziel eines einheitlichen Vertragsrechts im EU-Raum für jegliche Art von Geschäften von primärer Bedeutung für den Markt, aber das Ziel eines einheitlichen Grundbuchsrechts erscheint entbehrlich, weil Rechte an Liegenschaften und deren Begründung, Änderung oder Aufhebung jeweils ausreichend regional administriert werden können. Eine Liegenschaft hat eben naturgemäß einen Bezug zu einer bestimmten Region.

Im Verwaltungsrecht sind EU-weite einheitliche Regelungen zur Gewerbeausübung sinnvoll. Angelegenheiten der Landwirtschaft sollten hingegen wegen der spezifischen regionalen Gegebenheiten von den einzelnen Mitgliedstaaten administriert werden. Beim Baubereich stellt sich die Situation differenziert dar. Generelle Bauvorschriften sollten weitgehend überregional gelten, damit es für die Bauwirtschaft nicht erforderlich ist, sich immer erst aufwendig auf Unterschiede einzustellen und Bauprodukte nach einheitlichen Kriterien produzieren und damit überregional vertreiben zu können. In der regionalen Regelungskompetenz sind nur Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne zu belassen und Bestimmungen über den Ortsbildschutz, weil diese unmittelbar eine Region und regionale Interessen betreffen, im Zusammenhang mit dem Ortsbild regionale kulturelle Interessen.

Parallele Rechtsvorschriften zu einem Bereich, wie sie etwa durch Harmonisierung nur von Teilen eines Rechtsbereichs oft entstehen, sollen unterbleiben, weil man damit nur eine unübersichtliche Überregulierung bewirkte, die zum Erschwernis wird. Es bedarf damit bei einem Themenbereich jeweils der grundsätzlichen Entscheidung, diesen Bereich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten zu belassen, oder -sofern vorteilhaft- in die alleinige Kompetenz der EU zu transferieren.

Ansonsten sind die Probleme auf einzelstaatlicher Ebene und auf EU-Ebene wohl ident. Es stellt sich damit die Frage nach dem Inhalt, nicht nach der Methode

 

IV. Die Methode des Anwendungsvorrangs des EU - Rechts

A. Anwendungsvorrang

1.) Die Methode des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts trägt zu dessen besserem Funktionieren bei, weil es ja Sinn der EU-Normen ist, daß sie einheitlich in allen Mitgliedstaaten gelten. Es ist einfacher und schneller, EU-widrige Normen nicht anzuwenden, als erst ein Verfahren zu deren Aufhebung einleiten zu müssen. Die Umsetzung von EU-Recht erfolgt damit effizienter.

Das entspricht übrigens dem angloamerikanischen System, wonach Gerichte von der ersten Instanz bis zum Supreme Court verfassungswidrige Normen nicht anwenden dürfen, und im Unterschied zum kontinentaleuropäischen System nicht erst eine Instanz wie ein gesondertes Verfassungsgericht erforderlich ist, um eine verfassungswidrige Norm aufzuheben, die bis zu ihrer Aufhebung anzuwenden ist.

2.) Nur bei Zweifeln über den Inhalt von EU-Recht bedarf es einer Befassung des EuGH.

Das sog. Auslegungsmonopol des EuGH in Ansehung von EU-Recht und die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte sind in Art. 267 AEUV statuiert.

3.) Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts ist ein grundlegendes Rechtsprinzip. Das haben Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt zur EU mit dem sonstigen EU-Rechtsbestand übernommen.

Rechtsdogmatisch wird es aus den Rechtsnormen über Organisation, Funktionsweise und Zielsetzungen der EU abgeleitet, wobei besonders deren Supranationalität zu berücksichtigen ist, sowie aus der Prämisse, daß derartige Systeme - auch ohne explizite Rechtsnormen - so konzipiert sind, möglichst effizient zu wirken.

Dazu darf ich auf folgende instruktive Ausführungen des EuGH verweisen (EuGH 08.09.2010, C-409/06):
" 53 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zur Folge haben, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. u. a. Urteile Simmenthal, Randnr. 17, und vom 19. Juni 1990, Factortame u. a., C 213/89, Slg. 1990, I 2433, Randnr. 18).

54 Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, müssen nämlich die unmittelbar geltenden Bestimmungen des Unionsrechts, die für alle von ihnen Betroffenen eine unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten sind, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelnen handelt, die an dem Unionsrecht unterliegenden Rechtsverhältnissen beteiligt sind, ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten (vgl. in diesem Sinne Urteile Simmenthal, Randnrn. 14 und 15, und Factortame u. a., Randnr. 18).
55 Nach ständiger Rechtsprechung ist zudem jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewandt lässt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Simmenthal, Randnrn. 16 und 21, und Factortame u. a., Randnr. 19).

56 Demnach ist jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs , Verwaltungs oder Gerichtspraxis, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Unionsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beiseite zu lassen, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechts bilden, mit den in der Natur des Unionsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar (Urteile Simmenthal, Randnr. 22, und Factortame u. a., Randnr. 20).

57 Der Gerichtshof hat klargestellt, dass dies insbesondere dann der Fall wäre, wenn bei einem Widerspruch zwischen einer unionsrechtlichen Bestimmung und einem späteren nationalen Gesetz die Lösung dieses Normenkonflikts einem über ein eigenes Ermessen verfügenden anderen Organ als dem Gericht, das für die Anwendung des Unionsrechts zu sorgen hat, vorbehalten wäre, selbst wenn das daraus resultierende Hindernis für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nur vorübergehender Art wäre (Urteil Simmenthal, Randnr. 23). "

Aufgabe der Judikative ist die Vollziehung von Rechtsvorschriften durch deren Anwendung im Einzelfall. Die Höchstgerichte haben den Anwendungsvorrang des EU-Rechts nie angezweifelt.

Entschieden Höchstgerichte eines EU-Staats nicht konform mit EU-Recht, könnte der Staat sich je nach den konkreten Umständen gegenüber der EU wegen Verletzung von EU-Recht verantworten müssen. Wegen der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die insbesondere Weisungsfreiheit beinhaltet, könnte nicht über die betreffende Staatsadministration direkt auf die Gerichte eingewirkt werden, sondern nur indirekt mit legistischen Maßnahmen.

B. Unabhängigkeit von nationalen Kompetenzverteilungen

1.) Die damit in Zusammenhang stehende Methode der Irrelevanz von föderativen Systemen von Mitgliedstaaten, wonach die EU "bundesstaatenblind" ist, wirkt deshalb effizienzsteigernd, weil demnach immer jeweils ein Mitgliedstaat als Gesamtstaat für die Umsetzung von EU-Recht verantwortlich ist, und die EU sich nicht mit einer föderalen Kompetenzverteilung zwischen Gliedstaaten befassen muß. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß in der EU bei den einzelnen EU-Mitgliedstaaten jeweils eine große Diversität bei der staatlichen Organisation besteht, vom Zentralstaat bis zum Bundesstaat mit ausgeprägtem Föderalismus.

2.) Als Beispiel zur Problematik des Föderalismus und EU-Recht kann ein Staat wie Österreich dienen. Wenn ein Bereich, in dem EU-Recht umzusetzen ist, in Österreich nicht in die Zuständigkeit des Gesamtstaates (Bundes) fällt, sondern in jene der Bundesländer (wie zB Grundverkehr [Übertragung von Rechten an Grundstücken] oder Bauwesen), und das Bundesland Wien seine Rechtsvorschriften nicht an EU-Recht adaptiert oder nicht entsprechend dem EU-Recht neue Rechtsvorschriften erläßt, so muß die EU - Kommission sich nicht mit der Wiener Landesregierung beschäftigen, sondern mit der Bundesregierung, die dann das weitere zu veranlassen hat. Sich erforderlichenfalls mit jedem einzelnen Gliedstaat eines EU-Mitgliedstaats beschäftigen zu müssen, wäre für die EU ein zu großer Aufwand. Da ist es doch sinnvoller, wenn es für EU-Institutionen ausreichend ist, sich wegen EU-relevanter Themen an die Vertreter eines Staates zu wenden, und die erforderlichen Umsetzungen dann innerstaatlich zwischen den staatlichen Entitäten geklärt werden.

3.) Ein zweiter Teilbereich der Thematik von Föderalismus und EU-Recht ist jener der auf einen EU-Mitgliedstaat als Gesamtstaat bezogenen Kohärenz. Ein Rechtsbereich muß im EU-rechtlichen Zusammenhang bezogen auf den Gesamtstaat systematisch und stimmig ohne unsachliche Differenzierungen geregelt sein (so zB zum Glücksspielwesen allgemein und insbesondere zu einem Konzessionserfordernis und Erteilungsvoraussetzungen [EuGH in den Rechtssachen Stoß vs Baden Württemberg und Carmen Media Group vs Schleswig Holstein).

 

V. Problemdefinition

Nicht die Methode der EU, sondern deren Ausrichtung und Selbstverständnis sowie Umfang und Inhalt deren Rechtssetzung sind also das Problem.

Diese Probleme sind kongruent mit jenen, die sich auf einzelstaatlicher Ebene stellen.

So stellen sich etwa da wie dort brisante Fragen, etwa die Metafrage nach der Existenzberechtigung des Zentralbanksystems an sich, die Frage nach dem Ausmaß an Kontrolle von wirtschaftlichen Vorgängen und deren Zweck und die Frage nach einer Einschränkung von Bargeld und der damit erfolgenden Einschränkung der Bürgerrechte wie Freiheit und Privatautonomie.

Erschwerend erscheint natürlich, daß gewisse Organe der EU wie der EU-Rat aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzt und damit nur so gut oder schlecht wie die Regierungen der Mitgliedstaaten und deren Verwaltung sind.