Als erstes muss man konstatieren, dass für diejenigen aus der QAnon Bewegung, die in Trump (Vater), JFK Junior (Sohn) und QAnon (Heiliger Geist) eine politische Dreifaltigkeit erkennen und in messianischer Erwartung des Second Coming von JFK Junior in Form einer zweiten amerikanischen Revolution euphorisch verharren, die Wahlen ein nicht eingeplanter Rückschlag waren.
Ich kann nicht ausschließen, dass die QAnon Geschichte einen wahren Kern hat, aber die Erwartung, dass nach der Wahl das FBI in großem Stil Tausende bekannte Persönlichkeiten aus Film, Politik und Business verhaften würde, sie nach Guantanamo verfrachten, sie vor Militärgerichte stellen und im Anschluss daran manche standrechtlich erschießen würde, war immer unrealistisch.
Würde man eine zweite amerikanische Konterrevolution auslösen wollen, mit Gewalt auf der Straße, Einsatz des Militärs, einer Staatskrise und allgemeinem Chaos, dann wären Massenverhaftungen der sicherste Weg, dies zu erreichen.
Mit einer demokratischen Mehrheit im House of Representatives ist aus meiner Sicht keine solch Vorgehensweise möglich.
Die democratic opposition zu Trump ist demokratisch legitimiert, er muss mit ihr zusammenarbeiten. Wenn man sich aber von den apokalyptischen Vorstellungen der QAnon Bewegung distanziert und diese Wahlen als einen normalen Vorgang im politischen System des USA wahrnimmt, dann schaut die Lage für Trump gar nicht so schlecht aus.
Erstens hat die Republikanische Partei im historischen Vergleich gar nicht so schlecht abgeschnitten.
Die Partei des Präsidenten verliert immer bei den ersten Zwischenwahlen in der ersten Amtsperiode. Obama hat 2010 63 Sitze verloren und Clinton 1994 52. Trump wird im Vergleich an die 30 Sitze abgeben müssen.
Zweitens ist es in einer Demokratie grundsätzlich nicht gut, wenn eine Partei die Exekutive UND die Legislative kontrolliert UND beim Höchstgericht den Ton angibt.
Eine Einbindung der demokratischen Opposition in den politischen Prozess ist notwendig und wünschenswert. Ansonsten hat bis zur Hälfte der Bevölkerung das Gefühl, nicht am politischen Entscheidungsprozess teilzunehmen.
Dies scheint eine bewusste Überlegung bei manchen Wählern gewesen zu sein, die auf Senats-Ebene republikanisch und auf der House-Ebene demokratisch gewählt haben zumindest wenn man die Diskrepanz in der Performance der Parteien betrachtet.
Drittens falls Trump vor hat über einen Zeitraum von 8 Jahren die USA grundlegend zu verändern, dann hat sich aus einer solch langfristigen Perspektive seine Lage gestern erheblich verbessert.
Er hat seit gestern mehr Einfluss auf seine eigene Partei als vor zwei Jahren.
Vergessen wir nicht, vor zwei Jahren gab es in der Republikanischen Partei eine „Never Trump- Bewegung“.
Zu dieser Gruppe zählten sehr einflussreiche Politiker wie John McCain und Speaker Ryan, der ein sehr unkooperativer Führer der House Republicans war.
Diese Skeptiker sind entweder verstummt oder ausgeschieden.
Die neuen Senatoren sind Trump-Loyalisten. Dank seinem hohen Verschleiß an Mitarbeitern („Hire and Fire“) konnte Trump einige sehr unzuverlässige und gefährliche Parteifreunde wie den früheren „Generalsekretär“ der Partei, Reince Priebus, durch ein Jobangebot im Weißen Haus zuerst „ruhigstellen“ und dann „entsorgen“.
Trumps Popularität bei der Basis und seine Omnipräsenz machen es seinen Gegnern in der Partei inzwischen fast unmöglich, offen gegen ihn aufzutreten.
Durch seinen brachialen Stil hat er jeden Republikaner gezwungen, sich als ein Gegner oder Anhänger Trumps zu outen. Und die innerparteilichen Gegner sind „out“.
Er hat die Partei psychologisch im Griff wie kaum ein anderer Präsident vor ihm. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er vor drei Jahren noch ein Parteiloser war.
Viertens und zuletzt, die gestrigen Wahlen waren ein sehr wichtiger und informativer Probelauf für die Präsidentschaftswahl 2020.
Die Republikaner haben in den zwei wichtigsten Staaten für die Präsidentschaftswahl den Gouverneur dazu gewonnen: in Florida und Ohio.
Diese waren ausschlaggebend für Bush in den Jahren 2000 und 2004. Dies bedeutet, dass 2020 der Regierungsapparat in diesen Staaten Trump unterstützen und nicht in der Lage sein wird, ihn dort administrativ zu behindern oder sabotieren.
Darüber hinaus sind einige Schwächen Trumps zum Vorschein gekommen.
Seine aggressive Art stößt den Mittelstand, vor allem gebildete Frauen ab. Er hat anscheinend die Bedeutung der Migrationsfrage überbewertet. Im Süd-Westen haben die Demokraten trotz Migrationskarawane stark abgeschnitten und im ganzen Land scheint, auch wenn die Wirtschaft sich makro-ökonomisch erholt, die Sorge über den persönlichen Wohlstand und persönliches Wohlbefinden, der dominierende Faktor zu sein. Das hat Bill Clinton nie vergessen („It's the economy, stupid“).
Trump hat aber jetzt die Möglichkeit, durch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den House Democrats zu beweisen, dass er seine Rhetorik moderieren und er die von ihm oft gepriesene und herbeigewünschte Einheit im Lande herstellen kann.
Sollte ihm das gelingen, dann können nicht nur er, sondern auch die House Republicans 2020 einen neuen Sieg erringen.