Nicht oder nur selten wird trotz aller Kampf- und Kriegsrhetorik nach den Hintergründen gefragt und inwieweit die UNO überhaupt den grundlegendsten demokratischen Spielregeln genügt, eine Spurensuche.

Erheben Normen Anspruch auf Gültigkeit im Sinne eines Systems und der sich daraus ergebenden Ableitbarkeit, so muss für dieses Normensystem auch das Gesetz der "Einheit normativer Erkenntnis" gelten. Mit anderen Worten: Es kann nur ein Normensystem gelten, alles andere würde zu logischen Widersprüchen führen.

Aber Real-/Machtpolitik schert sich bekanntlich wenig um rechtsphilosophische Überlegungen und so stehen die als Fundament des Völkerrechts postulierten Menschenrechte etwa den Prinzipien der staatlichen Souveränität gegenüber und umgekehrt. Wie praktisch ein solcher Wiederspruch, oder sagen wir, eine solche Flexibilität ist, zeigt sich an Hand der aktuellen Völkerwanderungen. Die einen dürfen auf ihrer staatlichen Souveränität beharren während die anderen gefälligst die Menschenrechte zu beachten haben.

Gleiches gilt auch für die postulierte souveräne Gleichheit aller Staaten. Auch hier ist die UNO kein internationales Gremium der Gleichheit, sondern ein Beispiel für das alte Spiel der Macht, bei dem einige "gleicher" sind als andere.

Wie könnte es auch anders sein, wird dieses Machtspiel wird zwar tagtäglich gespielt, aber von den Spielern nur selten beim Namen genannt. Eine dieser Ausnahmen war der US-Stratege George Kennan. Er beschriebt die Intention der US-(Außen-)Politik mit folgenden Worten: Wir müssen

"... verschwommene und ... irreale Vorstellungen wie Menschenrechte, Hebung des Lebensstandards und Demokratisierung" beiseite lassen und darauf vorbereitet sein, bei Bedarf auch Gewalt anzuwenden, um unsere Ziele zu erreichen, wobei wir uns auch nicht von "idealistischen Slogans" behindern lassen dürfen."

Vetorecht in Vetofragen

Das wichtigste Instrument dafür ist das Veto und nachdem man davon nicht genug haben kann, gibt es nicht nur ein Veto, sondern auch noch eine Art Veto-Veto. Doch der Reihe nach. In der UNO gibt es zwei Fraktionen: Die machtlose Masse der Staaten aus deren Mitte die Nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gewählt werden und die machtvollkommenen, selbsternannten Ständigen Mitglieder (USA, Frankreich, Russland, GB, China) mit ihrem Vetorecht. Das bedeutet, dass es im Sicherheitsrat zwar durchaus ein allgemeines, aber eben kein gleiches Stimmrecht gibt. Denn ein Vetorecht haben nur die Ständigen Mitglieder und dieses Vetorecht ist in Wahrheit eine Art doppeltes Veto.

Eingeschränkt wird dieses Vetorecht zwar durch eine Bestimmung, nach der sich Konfliktparteien der Stimme zu enthalten haben, aber auch hier haben die Ständigen Mitglieder vorgesorgt, indem sie selbst bestimmen, wann ein Konflikt nun wirklich ein Konflikt ist, ein Streitfall, und wann nur eine Situation vorliegt.

Damit haben sie in Wahrheit ein doppeltes Veto, ein Vetorecht auf der Meta-Ebene der Entscheidung über die Frage, ob eine Entscheidung überhaupt einem Veto unterliegt. Praktisch, wenn man ein ständiges Mitglied ist. Abgerundet wird diese Veto-Allmacht noch durch die Unterscheidung zwischen Verfahrensfragen, kein Veto und allen anderen Fragen/Angelegenheiten, Veto. Auch diese Unterscheidung haben sich die Ständigen Mitglieder selbst vorbehalten.

Diese Machtvollkommenheit und Selbstimmunisierung der Ständigen Mitglieder wurde zwar von Anfang an kritisiert, jedoch vergeblich. Schließlich reklamierten und reklamieren die Ständigen Mitglieder die Hauptverantwortung für den Weltfrieden (!) für sich und da kann man schlecht auf Nebensächlichkeiten und Widersprüchlichkeiten wie Demokratie, Menschenrechte oder staatliche Souveränität Rücksicht nehmen.

Führt man sich vor Augen, wer in den vergangenen siebzig Jahren Kriege geführt, angezettelt oder über Dritte führen ließ sowie die eigenen Verbündeten vor einer Verurteilung geschützt hat, so kann man diese Begründung nur noch als Zynismus bezeichnen. Würde man die UNO als ein internationales Gremium „Gleicher unter Gleichen“ sowie als ein System der kollektiven Sicherheit ernst nehmen, dürfte es keine derartige Veto-Allmacht geben.

Ein solches System der kollektiven Gleichheit und Sicherheit wurde und wird zwar je nach Bedarf von allen Seiten immer wieder beschworen, aber diese Appelle sind in Wirklichkeit meist nur leere Worthülse im Sinne des politischen Marketings. Worum es tatsächlich ging und geht, stellte etwa US-Außenminister Cordell Hull kurz nach der Gründung der UNO fest:

"Our government would not remain there a day without retaining the veto power" und an anderer Stelle: "A Security Council without a great power veto would have been a non-starter from the beginning".

In diesem Sinne ist die in der UN-Charta beschworen“.... Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen ...“ nichts anderes als eine praktische Karotte für den steuerzahlenden Esel. Wer also noch immer an eine seligmachende und demokratisch legitimierte Tätigkeit der UNO glaubt, der glaubt wahrscheinlich auch, dass der Zitronenfalter Zitronen faltet.